Immer mehr Kirchen stehen leer, doch kaum jemand im Viertel könnte sich mit ihrem Abriss anfreunden. Also sind Städteplaner auf der Suche nach neuen Nutzungen.

Auf die haben sich jetzt 21 Studenten des Geographischen Instituts der Ruhr-Universität begeben, beispielhaft für zwei evangelische Kirchen (Martini in Goldhamme und Alte Kirche in Wattenscheid) und eine katholische (St. Antonius) in Griesenbruch.

Maßgabe war, wie Astrid Seckelmann vom Institut bei der Präsentation in der Martinikirche erklärte, dass Studenten eine quartiersgerechte Umnutzung erarbeiteten, „mit Blick vom Stadtteil auf die Kirchen“. Die Gotteshäuser hatten eine soziale Funktion, zumeist aufwendige Architektur, niemand würde sie leichtfertig abreißen wollen, zumal dies das Quartier veränderte. „Ziel ist, die Kirche im Dorf zu lassen.“ Aktuell stünden, so Seckelmann, 19 Kirchen in Bochum vor der Schließung oder seien schon zu.

Die Studierenden befragten Nachbarn und Passanten jeweils nach deren Wünschen für den Leerstand, berücksichtigten die soziale Struktur des Stadtteils und versuchten, Defizite auszugleichen. Die St. Antoniuskirche in Griesenbruch ist seit 2008 geschlossen. Kirsten Roßels und André Laurischkus präsentierten für ihre Gruppe zwei Ideen, wie die Kirche wiederbelebt werden könnte: „Für generationsübergreifendes Wohnen über zwei Etagen mit Gemeinschaftsräumen oder als Event-/Veranstaltungshalle – vom Konzert bis zum Business-Meeting.“ Diese Vorschläge spiegeln auch den Wunsch der befragten Anwohner wider. Beide Neunutzungen seien teuer, räumten die jungen Leute ein. Um Investoren anzulocken, schlugen sie Zwischennutzungen vor wie Markthalle, Theaterproberaum und Stadtteiltreff.

Die Martinikirche ist seit 2006 ungenutzt. Das Quartier Goldhamme gelte im Empfinden der Bewohner als sozialer Brennpunkt mit hohem Ausländeranteil, dennoch fühlten sich die meisten fest verwurzelt. Groß sei der Wunsch nach Treffpunkten für Jugend und Senioren, es fehlten Freizeitangebote. Vorschlag der Studenten: ein interkulturelles Zentrum mit religiöser Ausrichtung. „Als Leuchtturm für Bochum“, so Margarita Dück. Jüdische und islamische Gemeinde, katholische und evangelische Kirche sollten eingebunden werden, jeweils Bildungsmaßnahmen anbieten. Alternativ schlugen die Studenten vor, die Kirche Bands als Proberäume zur Verfügung zu stellen mit dem Altarraum als Bühne bei Gigs. Die Alte Kirche in Wattenscheid genießt architektonisch eine hohe Akzeptanz im Stadtteil. „Der Wunsch der Bewohner dominierte, die Kirche weiterhin in irgendeiner Form sakral zu nutzen“, so Judith Müller. Also kam ihre Arbeitsgruppe auf das Konzept, die Kirche als Ausstellungsraum für Bestatter zu nutzen. „Wir meinen, die Kirche sollte langsam ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden; diese kirchennahe Zwischennutzung sollte nur ein Anfang sein“, so Svenja Grzesiok. Eignen würde sich die Immobilie nach Ansicht der Studierenden auch multifunktionell, als Treffpunkt, für Veranstaltungen und für ansässige Vereine. „Schulen und VHS könnten sie mitnutzen“.

Die Besucher der Präsentation, besonders aus dem Presbyterium, zeigten sich erfreut, dass die RUB die Debatte um Neunutzung geschlossener Kirchen aufgegriffen hat und sich ein offener Prozess entwickeln könne.