Was Pflegenotstand wirklich bedeutet, erleben derzeit offenbar die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des städtischen Alten- und Pflegeheims „Am Glockengarten“ ganz unmittelbar.

Es läuft ein heftiger Personalabbau, dazu ein quälender Krankenstand und aktuell die Urlaubszeit: „Es ist nicht mehr auszuhalten“, schildert eine Mitarbeiterin die Situation drastisch.

Dabei, so die Einschätzung erfahrener Pflegekräfte, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch nicht einmal die Haupt-Leidtragenden. Stark pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner hätten immer wieder nach Hilfe geklingelt und müssten lange warten, bis endlich jemand komme. Das Personal werde angehalten, Menschen, die sich kaum ihrer selbst bewusst sind, wieder beizubringen, sich selbstständig zu waschen. „Hintergrund ist, dass dafür einfach keine Zeit mehr ist.“ Die Heimleitung betont dagegen, dies sei das Konzept „aktivierende Pflege“.

Wenn früher auf Stationen mit 44 Betten vier bis fünf Pflegekräfte, dazu hauswirtschaftliches Personal, gearbeitet hätten, kämen heute manchmal nur zwei Pflegemitarbeiter auf die gleiche Anzahl alter Menschen. Es sei kaum möglich, all die Aufgaben, Pflegen, Wäsche machen, Essen vorbereiten, Essen anreichen – bei Bedarf füttern – und andere Dinge zu schaffen. Doch die Mitarbeiter beißen wohl die Zähne zusammen und versuchen das Pensum zu erfüllen. Wirklicher Widerstand sei kaum zu erwarten, weil die Leute große Angst um ihre Arbeitsplätze haben, sagte jemand, der sich auskennt.

Nach WAZ-Informationen beschwerten sich sogar schon Angehörige, die mitbekamen, wie Bewohner behandelt würden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass etwa ein Platz der höchsten Pflegestufe III rund 3800 Euro im Monat koste, wird das offenbar kaum verstanden. Von der Heimleitung würden solche Beschwerden so kommentiert, dass sich die Betreffenden doch dann woanders um einen Platz kümmern könnten.

In der letzten Woche wurde aufgrund der aktuellen Situation eine Mitarbeiterversammlung einberufen, auf der sich die Heimleitung massive Kritik gefallen lassen musste. Dabei sei auch Druck auf Mitarbeiter ausgeübt worden, die sich über die „unzumutbare Situation“ beschwert hätten. Dies weist Heimleiter Theo Elbers zurück. Gleichzeitig bestätigt er, dass es im Zuge der Umstrukturierung des Altenheims durchaus zu als schwer empfundenen Belastungen kommen könne: „Aber wir sind da dran“, versicherte er gegenüber der WAZ. Er wisse, dass die generelle Situation in der Altenpflege in Deutschland nicht akzeptabel sei, sein Heim orientiere sich jedoch an den gesetzlichen Regelungen. „Wir hatten noch vor zwei Tagen eine externe Prüfung, es gab keinerlei Beanstandungen“, so Elbers.

Jahrelang hätten die städtischen Alten- und Pflegeheime über ihre Verhältnisse gelebt. Jährlich liefen bis zu drei Millionen Euro an Verlusten auf. Im letzten Jahr wurde die Notbremse gezogen. Bis 2015 müssen dauerhaft über 100 Millionen Euro gespart werden, forderte die Politik angesichts der dramatischen Haushaltslage der Stadt.

So wird die Bettenzahl Am Glockengarten von ehemals 405 Bewohnern auf 260 reduziert. Vieles hänge von den Pflegestufen ab. Je mehr Aufwand pro Person, desto mehr Personal könne eingestellt werden. Da sieht Elbers Spielraum, um wenigstens die Personalsituation nachhaltig zu verbessern: Rechnerisch kommt auf 1,8 schwerst pflegebedürftige Heimbewohner (Stufe III) eine Pflegekraft. Bei Pflegestufe I ist der Schlüssel 1:4.