Bochum.
Die Intendanz von Elmar Goerden ist vorbei. Was wird von den fünf Jahren, da er in Bochum das Schauspielhaus leitete, in der Erinnerung haften bleiben? Eine WAZ-Serie will dem nachspüren.
Nach Matthias Hartmann, dem (vielleicht ungerecht) eine flotte Oberflächlichkeit nachgesagt wurde, sollte Elmar Goerden, als er 2005 die Intendanz übernahm, wieder für eher tiefgründiges Theater sorgen. Der damals am Münchener Residenztheater engagierte Regisseur galt als das Gegenteil von einem Stückzertrümmerer, als ein Mann, der Respekt von den klassischen Texten besaß, diese allerdings erfolgreich auf aktuelle Tendenzen hin zu untersuchen verstand. Die Erwartungen waren hoch gesteckt, als mit Goethes „Iphigenie von Tauris“ die erste große, vielleicht sogar programmatische Inszenierung des neuen Intendanten zu sehen war. Eine erste Enttäuschung: Zwar rührte Goerden den alten Text (erwartungsgemäß) nicht an, ihm gelang es jedoch nicht, daraus irgendwelche zeitgenössischen Funken zu schlagen. Das wirkte edel und abgehoben, mit großer Ehrfurcht vor dem Olympier. Die Behutsamkeit, für die Goerdens Regiestil bekannt war, hatte erstmals die Betulichkeit geschrammt. Eine wenig prickelnde Einschätzung, die sich in anderen Goerden-Inszenierungen wiederholen sollte.
Gastspiel aus München
Wie anders Goethes „Clavigo“ in der Regie Elmar Goerdens, ein Gastspiel des Bayerischen Staatsschauspiels. Goerden hatte Clavigo noch in seiner Münchner Zeit inszeniert. Mit Michael von Au in der Titelrolle war eine farbige, vitale Deutung des klassischen Stoffes zu sehen, die von einem anderen Regisseur zu stammen schien als vom neuen Intendanten an der Königsallee. Die Bürde als Bochumer Theaterleiter schien die Qualität des Regisseurs Goerden beeinträchtigt zu haben. Anders war der Qualitätsverfall zwischen Clavigo und Iphigenie nicht zu erklären.
Zwei Inszenierungen sollten das Schauspielhaus aus den ersten Negativ-Schlagzeilen wieder herausholen: „Ein idealer Gatte“ von Oscar Wilde mit Sebastian Koch in der Hauptrolle begeisterte das Publikum, die Kritik war in Maßen davon angetan. Regisseur Armin Holz konnte damit mehr als nur einen Achtungserfolg erzielen.
Skandalöse „Schändung“
Skandalgeschwängert dann „Schändung“, ein arges Spiel, das Botho Strauß in Anlehnung an Shakespeares blutiges Titus-Drama geschrieben hatte. Bruno Ganz spielte den Titus mit existenzieller Kraft, durchaus mit eindringlicher Präsenz, Louisa Stroux zeigte Lavinia als zerbrechliches Wesen; doch trotz aller Drastik konnte Straußens Version mit dem Titus-Original von Shakespeare nicht mithalten. All die Gräuel, die das Stück kennzeichnen, waren zwar erfreulicherweise in die Kulissen verlegt, doch auch die Monströsität der handelnden Personen blieb in der Regie von Elmar Goerden seltsam verborgen. Das haute niemanden um - und viele Zuschauer kamen vornehmlich, um Bruno Ganz auf der Bühne sehen zu können.
Ach ja: Ionescos „Kahle Sängerin“ entschädigte in ihrer Skurrilität für manche Schwäche in der ersten Spielzeit der Goerden-Intendanz.