Bochum .
Sie tanzen, springen und wirbeln wild durch die Jahrhunderhalle: „Urbanatix“ bringt am Wochenende Straßensportler und Profi-Artisten zu einer spektakulären Show zusammen.
So also sieht es in einem Gehirn aus, kurz bevor der Kopf platzt. Grelle Blitze zucken, Bildschnipsel rasen rastlos über die Wände, von irgendwo dröhnt ein Bass. Alles verschwimmt in Bewegung. Die Bühne der Bochumer Jahrhunderthalle versinkt in kontrolliertem Chaos.
Denn es gibt einen Kern, der alles verbindet: ein Kulturhauptstadt-Projekt. „Urbanatix“ bringt internationale Artisten mit jungen Straßensportlern aus der Region zusammen. Erfahrene Athleten und rund 40 Jungs, deren Bühne bislang die Straßen, Brücken und Fassaden der Ruhrgebietsstädte waren, treten gemeinsam auf. Begleitet von einem multimedialen Feuerwerk aus Videos, Rhythmen und Musik.
Sie spotten der Schwerkraft
Sie tanzen, springen und wirbeln wild durcheinander. Sie erklettern, erstürmen Hindernisse, nur um sich in der nächsten Sekunde wieder in die Tiefe zu stürzen. Sie scheinen zu schweben, spotten der Schwerkraft.
„Urbanatix“, in diesem Kunstwort verschmilzt das „X“, das Unbekannte, mit den englischen Begriffen „urban“ (städtisch) und „fanatic“.
Sonst ist die Stadt ihr Revier. Und fanatisch sind sie alle, in einem positiven Sinne, der Begeisterung und Hingabe meint. „Und viel Disziplin“, sagt Regisseur Christian Eggert, der das Projekt seit mehr als zwei Jahren akribisch vorantreibt. Seine Jungs, Mädchen sucht man hier vergeblich, opferten für das Projekt viel Freizeit. Neben Schule, Studium und Beruf probten sie – im Schlussspurt bis zu sechs Stunden täglich – in der entweihten Marienkirche im Bochumer Bermudadreieck.
Über 150 Bewerber
Nicht jede Lektion war eine sportliche: „Die Jungs mussten nicht nur neue Tricks lernen, sondern auch, Respekt vor der Leistung anderer zu haben.“
Denn die aus über 150 Bewerbern ausgesuchten Straßensportler zwischen 16 und 25 Jahren sind ein wilder, heterogener Haufen: BMX-Fahrer Janek (19) aus Essen, Julian (22), der in Gladbeck den Straßensport „Parkour“ läuft, der Gladbacher Kampfsportler Quang (21) und Tänzer Joab (21) aus Bochum. Gleich ist ihnen nur der „fast schon narzisstische Selbstdarstellungsdrang“, weiß Regisseur Eggert.
Und weiter: „Junge Männer haben in dem Alter ja oft das Gefühl, unsterblich zu sein.“ Davon lebt die Show. Zwar gibt es auch ruhige, fast schon besinnliche Momente, die den Adrenalinrausch kurz brechen. Doch dienen diese nur als Verschnaufpause, als Anlauf für die nächste, noch spektakulärere Nummer.
Geballte Ladung Energie
Auch interessant
Wie die Kunststücke von Rémi Martin und Eike von Stuckenbrok, junge Profi-Artisten, die zwar hervorstechen, aber keinem die Show stehlen. Wie die Akrobaten am „Catwall Trampolin“, die eine meterhohe Kulissenwand mühelos erklimmen. Oder wie Valérie Inertie, die in ihrem „Cyr“, einem überdimensionalen Hula-Hoop-Reifen, über die Bretter wirbelt.
Dennoch: Die Jungs von der Straße sind keineswegs nur Beiwerk für den Auftritt der Etablierten. „Ein großes Ganzes, eine geballte Ladung Energie und Lebensfreude“, sieht Regisseur Eggert. Für die beiden Straßentänzer Damian (20) und Lin (21) ist es schlicht „das große Kribbeln“.