Bochum. Alles dreht sich um Tugenden und Laster: Eine siebentägige Nonstop-Lesung wird von der Literarischen Gesellschaft vorbereitet. Ziel ist es, Bochum im Jahr von "Ruhr.2010" als Stadt des Wortes zu profilieren.

Ob Goethe, Dracula oder Karl May: Alles ist zunächst einmal gefragt. Denn es gilt, nicht weniger als 168 Stunden Lesezeit zu füllen. Im Rahmen des Programms zum Kulturhauptstadtjahr ist eine Marathon-Lesung geplant, wie sie in diesem Ausmaß bisher in Bochum noch nicht zu erleben gewesen ist. Und das Schöne daran ist: Jeder kann mitmachen, kann sich mit seinen Lieblingstexten bewerben. Wer schon immer mal eine Passage aus Thomas Manns „Zauberberg” der Öffentlichkeit präsentieren wollte, ist ebenso willkommen wie jene vielleicht schon etwas ältere Dame, die noch heute sehnsuchtsvoll an die „Nesthäkchen”-Lektüre in lang vergangener Zeit zurück denkt.

Die Sieben-Tage-Nonstop-Lesung wird von der Literarischen Gesellschaft organisiert und durchgeführt. Deren Vorsitzender Ralph Köhnen meint zur Intention, die Marathonlesung solle „Bochum als Stadt des geschriebenen und gelesenen Wortes profilieren”. Das unentwegte Lesen, dem das Publikum zu jeder Tages- und Nachtzeit zuhören kann, wird vom 3. bis zum 10. September 2010 an einem festen Indoor-Ort in der Bochumer Innenstadt stattfinden. Die letzte Auswahl des Spiel- bzw. Leseplatzes ist noch nicht getroffen.

Zeitloses Gegensatz-Paar

Die Zeit bis Anfang September wird für die Vorbereitung gut gebraucht: Gilt es doch, für 168 Stunden möglichst viele Leserinnen und Leser zu finden. Aufrufe sind geplant, Weiterbildungsstätten, Schulen, Theater, alle sollen die Nachricht ausstreuen von dieser Kulturhauptstadt-Idee: In unserem ins Bild vernarrte Zeitalter soll eine Woche lang die Aufmerksamkeit auf das gesprochene Wort gelenkt werden. Ralph Köhnen: „Lesende sollen Leute sein, die etwas mit Bochum zu tun haben: Von Schülern und Lesezirkeln über Schauspieler, Autoren, Fußballer des VfL bis zum Bundestagspräsidenten sollen sich alle angesprochen fühlen.”

Das Thema ist weit gefasst, findet jedoch einen losen Rahmen im zeitlosen Gegensatz-Paar „Tugend und Laster”. Wofür und wogegen er sich entscheiden soll, das bewegt den Menschen seit Jahrhunderten – und auch noch heute. So wird es möglich sein, in der Lesung (sieben Mal 24 Stunden) das Terrain auf vielerlei Weise abzuschreiten. Wie schon bei den Lesenden sind alle Bevölkerungsschichten angesprochen, der Literarischen Gesellschaft Texte zu nennen, die dann zu einer Themenreihe zusammengestellt werden. Ralph Köhnen: „Sieben Tugenden und sieben Laster wechseln wie Tag und Nacht.” Eine Jury wählt die Texte aus, die vorgestellt werden sollen und gibt ihnen einen Inszenierungsrahmen. Gelesen werden können Prosatexte, aber auch szenische Lesungen sind möglich.

Starkes Publikum gefragt

Die Lesungen sollen in einem Bühnenbild stattfinden, eine Digitalkamera zeichnet das Unternehmen auf. Es wird eine Livestream-Übertragung geben, sodass jeder sich im Internet dazu anregen lassen kann, die Nonstop-Lesung auch live zu besuchen. Gerade am sehr frühen Morgen könnte die Lesung (nicht nur) für Nachtschwärmer zum Kult werden. Im Moment werden im übrigen aussichtsreiche Gespräche mit Sponsoren geführt.

Ralph Köhnen fasst zusammen: „Die Länge der Lesedauer ist wichtig: Tage und Nächte lang wird durchgelesen: Literatur hat ihre Dauer, wir werden sehen, ob das Publikum genauso stark ist.”