Bochum. Was für eine Karriere! Wenn der Direktor der Bochumer Arbeitsgerichts, Dr. Josef Jasper, bald in Pension geht, weil er 65 Jahre wird, beginnt er eine klassische Tischler-Lehre. „Ich fühle mich so fit, dass ich den Beruf noch machen will.”
Bald werden die rund 40 Tischler-Lehrlinge in Bochum einen älteren Herrn unter sich haben - aber nicht als Ausbilder, sondern als Auszubildender. Sein Status dürfte einzigartig sein in der Zunft. Denn der Neue heißt Josef Jasper, trägt einen Doktortitel und wird dann 65 Jahre alt sein. Bis Januar 2011 arbeitet er noch in seinem alten Beruf - als Direktor des Bochumer Arbeitsgerichts.
"Erst promovieren - dann in die Lehre"
„Erst promovieren, dann in die Lehre - ich finde das wunderbar!” applaudierte der Bochumer Kreishandwerksmeister Johann Philipps. „Das wird Ihr Leben erfüllen”, ruft er dem Gerichtsdirektor mit pausbäckiger Freude zu. Und auch dieser selbst scheint schon ein bisschen aufgeregt zu sein vor diesem zweiten Leben. Schließlich: „Ich muss auch in die Berufsschule.”
Jasper ist der dienstälteste Arbeitsgerichtsdirektor in NRW. Seit über 20 Jahren spricht er in Bochum Urteile. Viele hundert in jedem Jahr. Während mehrere seiner Amtskollegen bereits vorzeitig den Abflug machten aus dem Staatsdienst, freiwillig, um als Rechtsanwälte eine späte zweite juristische Karriere zu starten, wechselt Jasper komplett die Profession. „Ich habe im Grunde immer gern mit Holz gearbeitet”, sagte er der WAZ. Das sei „vielleicht genetisch bedingt: Ich hatte einen Großvater, der eine Schreinerei hatte”. Zu Hause in Bochum hat der 64-Jährige eine Hobby-Werkstatt. Darin hat er sich, ohne es zu ahnen, jahrelang auf seine späte Tischler-Ausbildung vorbereitet. Seine Lieblingsobjekte sind übrigens Vierbeiner. „Ich bin ein Stuhl-Fan”, sagt der Gerichtsdirektor. Und außerdem: „Ich bin ein guter Drechsler.” In ein paar Jahren dürfte er ein sehr guter sein.
Jura-Doktor muss wieder in die Schule
Wenn Jasper im Januar 2011 in Pension geht, wird er als Azubi direkt in ein Bochumer Holz-Unternehmen wechseln. Das ist schon eingestielt. Tischler-Azubis nennt er - man muss mittlerweile sagen: selbstironisch - Holzwürmer. Die reguläre Ausbildung dauert drei Jahre. „Das ist ein bisschen lang. Ich denke, das wird man verkürzen können.” Zumindest die Kurse für Deutsch und Rechtschreibung in der Berufsschule dürften die Handwerks-Oberen dem Jura-Doktor gnädig erlassen. Mathe vielleicht eher nicht, denn bis heute hält sich hartnäckig das lateinische Sprichwort: „Judex non calculat.” Frei übersetzt: Juristen können nicht rechnen.
"Ich will nicht besser behandelt werden"
Unabhängig von der Dauer der Ausbildung will Jasper aber keinen Honoratioren-Bonus: „Ich will nicht besser behandelt werden als alle. Wenn, dann will ich das mit Schmerzen machen - und keinen Schongang.” Er betont: „Ich fühle mich so fit, dass ich den Beruf noch machen will.” Das erste Lehrjahr wird übrigens mit 450 Euro vergütet, das zweite mit 550 Euro, das dritte mit 650 Euro. Ein nettes Zubrot zu den Altersbezügen.
Was Jasper nach der Lehre mit der Tischlerei genau anfangen will, weiß er noch nicht. Die Ideen sollen in der Lehre sprießen. „Sollten die auch Geld einbringen, werde ich nicht böse sein.”
"Ich habe das mit meinem Hund besprochen"
Seinen verblüffenden Berufswunsch hat sich Jasper von seiner Familie (zwei Kinder) nicht genehmigen lassen. Sie sei „nicht mitbestimmungspflichtig”, sagt er augenzwinkernd. Allerdings: „Ich habe das mit meinem Hund besprochen.” Der Golden Retriever habe alles abgesegnet.
Nach oder neben dem Tischler-Beruf sind potenziell noch weitere Tätigkeiten drin. Jasper besitzt einen Taxischein, einen Gabelstapler-Führerschein und beherrscht als Organist das Spiel auf der Kirchenorgel.