Bochum. In dem brisanten Rechtsstreit um den möglichen Ankauf einer Schweizer CD mit mutmaßlichen Steuersündern plädiert der Bochumer FDP-Chef und Rechtsanwalt Jens Lücking für "eine fingierte Übergabe". So gelange man einerseits an die CD - und erwische gleichzeitig den Anbieter, einen Straftäter.
In der rechtlich höchst umstrittenen Frage, ob die Bundesregierung eine CD aus der Schweiz mit den Daten mit 1500 mutmaßlichen Steuersündern für 2,5 Millionen Euro von einem unbekannten Hehler kaufen soll oder nicht, favorisiert der Bochumer FDP-Chef und Rechtsanwalt Jens Lücking „eine fingierte Übergabe”. Auf Anfrage der WAZ sagte er am Montagvormittag: „Ich würde versuchen, bei einer fingierten Übergabe diesen Mann zu verhaften.” Das hätte gleich zwei Vorteile: „Auf der einen Seite wird der Staat Geld einnehmen können, das ihm zusteht. Auf der anderen Seite würde der Straftäter zur Verantwortung gezogen werden können.”
Denn es sei „unbestritten eine Straftat, die dieser Mann begangen hat”, indem er illegal an die Daten gelangt sei. Lücking plädiert: „Es muss eine Möglichkeit geben, auf legalem Wege an diese Daten zu gelangen.” Eine fingierte Übergabe sei so ein Weg.
Steuerfahnder: "Der Erfolg heiligt nicht die Mittel"
Der Leiter des Bochumer Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung, Cord Althöfer, ist in diesem Fall zwiegespalten - als Fahnder und als Volljurist. "Das Fahnderherz geht dahin, die Daten zu bekommen", sagte er am Montag der WAZ. Allerdings dürfe man mit einem Ankauf keine Nachahmer heraufbeschwören, indem man sie überhaupt erst zum Datendiebstahl veranlasse. Das sei "ein bisschen Produzieren von Denunziantentum". Althöfer: "Der Erfolg heiligt nicht die Mittel."
Bochums Amtsgerichtsdirektor Friedrich Meyer hat „keine durchgreifenden Bedenken”, die CD zu erwerben. „Man sollte solche Daten ankaufen, denn nur dadurch kann Unsicherheit bei den Steuerpflichtigen erzeugt werden. Kein Steuerparadies ist dann mehr sicher.” Allerdings scheinte ihm der Preis von 2,5 Mio Euro „ein bisschen hoch”. „Die Daten besorgen sich die Anbieter schließlich illegal.”
Oberstaatsanwalt: "Die Daten sind verwertbar"
Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, die das Liechtenstein-Verfahren vor zwei Jahren ebenfalls nach einem Angebot eines Hehlers erhalten hatte, wollte sich am Montag auf WAZ-Anfrage nicht zu der Frage „Steuer-CD kaufen: Ja oder nein” äußern. „Weil das ein Verfahren ist, das wir nicht führen”, wie Oberstaaatsanwalt Bernd Bienioßek sagte. Seine rechtliche Einschätzung dürfte aber dieselbe sein wie vor zwei Jahren, als ein anonymer Hehler die wertvolle Liechtenstein-CD für angeblich vier Millionen Euro an die Bundesregierung verkauft und damit die größte Steueraffäre in der Geschichte der Bundesrepublik ins Rollen gebracht hatte. Damals sagte Bienioßek der WAZ: „Nach unserer Auffassung sind die Daten verwertbar, da unserer Erkenntnis zufolge die Unterlagen deutschen Behörden freiwillig zugänglich gemacht worden sind. Sollte jemand anderer Auffassung sein, so mag das in Ruhe gerichtlich geprüft werden. Eventuell sogar vom Bundesverfassungsgericht.”
Der kommissarische Bochumer Polizei-Chef Wolfgang Sprogies, selbst Volljurist, sieht diesen Rechtsstreit „auf Messers Schneide”. Eindeutig Ja oder Nein will er die Frage nicht beantworten. Aber: „Ich sehe das als problematisch an, wenn Geld in beträchtlicher Höhe an mögliche Straftäter fließt.” Er glaube, dass diese offene Frage, ob man das tun solle, „politisch entschieden wird”.
Liechtenstein-Verfahren brachte schon 200 Mio Euro ein
Aktuellen Medienberichten zufolge soll die ominöse Schweizer Steuer-CD Steuernachzahlungen von geschätzt 100 Millionen Euro bescheren. Beim Liechtenstein-Verfahren ist diese Marke bereits verdoppelt worden. Wie Oberstaatsanwalt Bienioßek am Montag der WAZ sagte, habe der Staat von der deutschen Liechtenstein-Anlegern bei aktuell 580 Verfahren bereits 178 Millionen Steuernachzahlungen eingenommen - vorläufig. Hinzu kommen insgesamt 21 Millionen Euro, die die Strafverfolgungsbehörde an Geldauflagen zugunsten des Staates und wohltätiger Einrichtungen festgesetzt hat. Diese Geldauflagen waren Bedingung dafür, dass bereits 134 Strafverfahren ohne Prozess und Urteil eingestellt wurden.
Weitere 52 Verfahren wurden eingestellt, weil die Beschuldigten zum Beispiel verstorben sind oder gar nicht der deutschen Steuerpflicht unterlagen. In Strafhaft musste bisher kein einziger Beschuldigter. Es hat bisher auch nur drei öffentliche Prozesse gegeben, die alle mit Bewährungsstrafen endeten. Obwohl einer der Angeklagten sogar 7,5 Mio Steuern hinterzogen hatte.
Selbstanzeigen könnten sich jetzt häufen
Bochums FDP-Chef Lücking verspricht sich von der aktuellen Diskussion um die Schweizer Steuer-CD in jedem Fall aber einen Vorteil: Es werde Selbstanzeigen derjenigen geben, die ihr Vermögen heimlich in der Alpenrepublik gebunkert haben. Mit so einer Anzeige können sie hoffen, dass sie nur mit Steuernachzahlungen davonkommen - ohne weitere Sanktionen.
Im Liechtenstein-Verfahren hat es 220 Selbstanzeigen gegeben. Wobei die Staatsanwaltschaft mehrheitlich aber keineswegs eine strafbefreiende Wirkung erkannte - weil die Anzeigenerstatter damals sowieso mit einer Enttarnung hätten rechnen müssen.