Bochum/Herne. Nach einem Schwangerschaftsabbruch, in dessen Folge eine Patientin (34) aus Herne im September 2007 gestorben war, hat das Bochumer Landgericht einen 63-jährigen Anästhesisten zu 30 000 Euro Schmerzensgeld zugunsten der Hinterbliebenen verurteilt.

Nach einem tödlichen Schwangerschaftsabbruch in Herne hat das Bochumer Landgericht gestern einen Anästhesisten (63) aus Herne zu insgesamt 30 000 Euro Schmerzensgeld zugunsten der Hinterbliebenen verurteilt. Im September 2007 hatte eine 34-jährige Hernerin ihr Kind in der Praxis eines Herner Frauenarztes abtreiben wollen. Dabei kam es zu katastrophalen Komplikationen mit der Narkose, bis hin zum Herzstillstand. Zehn Tage später starb die Patientin im evangelischen Krankenhaus Herne trotz Wiederbelebung.

Der Bruder und die Mutter der Verstorbenen hatten von dem Anästhesisten, dem Frauenarzt und dem Krankenhaus insgesamt sogar 160 000 € gefordert. Als „vererbtes Schmerzensgeld” und als Entschädigung für einen eigenen „Schockschaden”.

"Erheblichste Fehler"

Nachdem am Mittwoch aber zwei Professoren als Gutachter vor der 6. Zivilkammer ausgesagt hatten, machten die Richter nur noch den Narkosearzt für den tödlichen Kunstfehler verantwortlich. Er habe „erheblichste Fehler” bei der Narkose gemacht, wie Richter Andreas Oligmüller sagte. Einen Gutachter fragte er im Gerichtssaal: „Ist Ihnen eine Masse solcher Fehler schon einmal vorgekommen?” Antwort: „Nein.” Das Verhalten des Arztes war „jenseits jeglicher normaler Medizin für den anästhesiologischen Part”.

Gravierender Blutdruckabfall

Bereits vor diesem Arzthaftungsprozess war der Anästhesist strafrechtlich verurteilt worden: Zehn Monate Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung. Es war damals in der Praxis - laut Urteil infolge überhöhter Medikamentation - zu einem gravierenden Blutdruckabball gekommen.

Die Klagen gegen den Frauenarzt und das Krankenhaus wiesen die Zivilrichter am Mittwoch aber als unbegründet ab. Bei der Nachbehandlung im Krankenhaus sah ein Gutachter zwar ebenfalls einen Behandlungfehler. Doch es war für die Richter völlig unklar, ob dies überhaupt mit entscheidend für den Tod der Frau war. Beim damaligen Verhalten des Frauenarztes als einzigem Beklagten sahen die Gutachter überhaupt keinen ursächlichen Fehler, auch wenn bei dem Eingriff die Gebärmutter verletzt worden war.

"Feige und unehrerbietig"

Anders als der Gynäkologe war der Anästhesist trotz Ladung nicht vor Gericht erschienen. Darüber waren die Hinterbliebenen entsetzt. Ihr Anwalt Burkhard Oexmann nannte das Fernbleiben „feige und unehrerbietig”.

Der Prozess wurde unter besonderen Sicherheitvorkehrungen verhandelt. Um Ausschreitungen zu verhindern. Es blieb aber ruhig. Der Publikums- und Presseandrang war so hoch, dass nicht alle Platz fanden. Die Mutter der Verstorbenen weinte im Prozess bitterlich. Ihr Sohn hielt seinen Arm um sie. Ein weiteres Familienmitglied sagte über die Verstorbene: „Sie war die zentrale Figur in der Familie.”

Vorsitzender Richter Oligmüller nannte das Drama "eine menschliche Tragödie, nicht nur für die Kläger, sondern auch für die Beklagten".