Bochum. Mediziner wie Dr. Rainer Wolf mahnen, dass die Lust am Essen bei Demenzkranken unbedingt gerettet werden muss. Angehörige und Pfleger sollten die Senioren bei der Nahrungsaufnahme unterstützen.
Die Demenz und das Alter, Gewichtsabnahme und Flüssigkeitsmangel. Der Klinikalltag zeigt PD Dr. Rainer Wolf immer wieder, dass diese Begriffe verbunden sind. Wolf ist Oberarzt an der LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum und Experte für Gerontopsychiatrie, also für psychische Erkrankungen älterer Menschen. „Im Alter verändern sich die Essgewohnheiten: Appetit und Durst können abnehmen. Die Funktionen vieler Organe nehmen ebenfalls ab und Krankheiten verstärken diese Entwicklung.”
Rund 8 000 Bochumer haben Demenz
Eine Demenz krempelt womöglich das ganze Leben um. Nicht nur das des Betroffenen, auch das seiner Angehörigen. Experten wie Dr. Ute Brüne-Cohrs, Fachärztin der LWL-Klinik, gehen davon aus, dass rund 8 000 Bochumer an Demenz erkrankt sind. Bei vielen von ihnen wirkt sich die Demenz auch auf das Essverhalten aus. Ein gravierendes Problem kann entstehen, wenn der Betroffene das Essen gar nicht mehr als solches erkennt: „Früher hat der Demenzkranke vielleicht gerne Salat gegessen, heute sieht er das Salatblatt gar nicht mehr als etwas Essbares”, sagt Rainer Wolf. Ein Anderer lässt vielleicht auf seinem Teller das Schnitzel links liegen und beschäftigt sich verspielt nur mit den Kartoffeln. „Wegen kognitiver Einbußen erkennen die Demenzkranken manche Dinge nicht mehr”, so Wolf.
Wenn es so weit gekommen ist, ist der Weg bis zur Mangelernährung nicht mehr weit – im schlimmsten Fall. Umso wichtiger sei es, dass Angehörige und Pfleger genauer hinschauen. Zum Glück, so Dr. Ute Brüne-Cohrs, hätten schon viele Mitmenschen die richtige Richtung eingeschlagen, gingen offen und umsichtig mit der Krankheit um. Das bestätigt Pflegewissenschaftlerin Monika Rieckert: „Immer mehr Außenstehende erkennen, dass es nicht die schräge Alte ist, sondern eine Frau, die an Demenz erkrankt ist.”
Lust am Essen erhalten
Zurück zu den Angehörigen: „Demenzkranke benötigen auch beim Essen jemanden, der ihnen beisteht. So wie ein guter Kellner sich um seine Gäste im Restaurant kümmert”, sagt Dr. Rainer Wolf. Grundsätzlich sollte – wie bei Kindern gewohnt – eine erhöhte Toleranz gelten: „Wenn ein demenzkranker Senior es möchte, soll er ruhig mit den Fingern essen oder ungewöhnliche Speisenkombinationen genießen.” Wichtig sei, dass die Lust am Essen erhalten bleibt. Häufig müsse eine Aufforderung, genügend zu essen und zu trinken, von außen kommen. Auch in stationären Einrichtungen: „Hier sollten aktiv Getränke angeboten werden.” Denn: psychische Störungen wie Wahnvorstellungen oder Halluzinationen könnten eine Folge von Flüssigkeitsmangel sein.
Im Idealfall sollte, so Wolf, das Essen so lange wie möglich in der Gemeinschaft stattfinden. „Wer einen Angehörigen zu Hause pflegt, sollte die Mahlzeiten nicht hoch ins Altenstüble bringen.” Gesellschaft wirke sich meistens positiv auf das Wohlbefinden aus, da melde sich manche verloren gegangene Eigenschaft vielleicht wieder zurück.
Mit Umsicht betreuen
Wenn das gemeinschaftliche Essen nicht möglich ist und der Senior sein Essen geliefert bekommt, dann müsse er auch hier mit Umsicht betreut werden – um Mangelernährung keine Chance zu geben. Da können schon kleine Hilfestellungen viel bewirken: „Manchmal scheitert die Nahrungsaufnahme allein daran, dass der alte Mensch körperlich nicht in der Lage ist, die Folie von seiner Menüschale zu entfernen”, sagt der Arzt.