Bochum. Die Zahl der Bäckereien nimmt ab. Andreas Risken aus Bochum stemmt sich gegen den Trend. Doch auch die Zukunft seines Betriebs ist endlich.
Hier im Laden, sagt Andreas Risken, „bin ich aufgewachsen“. Der 49-Jährige ist Bäckermeister, führt in dritter Generation „Risken‘s Backofen“, und er weiß um die Herausforderungen, vor denen Familienbetriebe wie der seine stehen. Die Zahl der Bäckereien in Deutschland geht seit Jahren zurück.
„Risken‘s Backofen“ an der Castroper Straße 199 hat bereits fast 90 Jahre überstanden. „Im Oktober 1937 eröffnete meine Großmutter den Laden“, erzählt Andreas Risken. Anschließend habe sein Vater das Geschäft von ihr übernommen. Seit 2004 gehört die Backstube nun ihm selbst.
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Der Familienbetrieb, er war für die Familie so etwas wie der Lebensmittelpunkt. Lange Zeit haben auch seine Mutter, seine Tante und seine Schwester dort gearbeitet. „Als ich selbst noch ein Kind war, haben wir alle gemeinschaftlich zu Abend gegessen, weil alle immer hier waren“, erinnert er sich.
In Bochumer Bäckerei herrscht ein familiäres Verhältnis
Ohne die Treue und das Durchhaltevermögen seiner Mitarbeiter ginge es nicht, Personalmangel ist in der Bäckerbranche allgegenwärtig. „Lehrlinge findet man schon seit Jahren nicht mehr“, sagt Risken. Selbst Aushilfen seien nur schwer zu gewinnen.
Sein ältester Mitarbeiter habe bei ihm gearbeitet, bis er 83 Jahre alt war, auch jetzt habe er noch einen Angestellten im Alter von 80 Jahren, erzählt Risken. „Alle, die hier arbeiten, haben auch schon unter meinem Vater gearbeitet.“ So auch Sabine Quass, seit 1991 ist sie mit dabei. Und noch immer begrüßt die Bäckereifachverkäuferin jeden Kunden mit einem breiten Lächeln.
Früher waren sie zu acht in der Backstube – heute ist er oft alleine
Noch vor einigen Jahren gab es drei Filialen des Bäckereibetriebs in Bochum. Neben dem Laden an der Castroper Straße 199 habe es noch jeweils ein Geschäft in Gerthe und Grumme gegeben. Von der Backstube seien die frischen Waren dann in die Läden geliefert worden.
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Durch Corona habe sich alles verändert, so Risken. „Vorher haben wir zu acht in der Backstube gearbeitet.“ Mittlerweile arbeite er dort oft alleine. „Ich musste Kurzarbeit anmelden und viele haben umgeschult.“
Vor der Pandemie habe Risken‘s Backofen viele Hotels sowie den Ruhrcongress beliefert. „Das ist auf einmal alles weggebrochen und leider auch danach nicht wieder gekommen“, sagt Risken. Nur das Mercure Hotel in der Innenstadt sei ihm noch geblieben.
30.000 Brötchen am Tag – so lief es bei Risken‘s Backofen zu Spitzenzeiten
Zu Spitzenzeiten habe Andreas Risken bis zu 30.000 Brötchen an den Ruhrcongress geliefert, und das an einem Tag. „Wir wussten gar nicht mehr, wohin damit“, erzählt er lachend. „Die Nacht haben wir durchgearbeitet“. In 20 Minuten könne der Ofen 720 Brötchen backen.
„Früher war es hier viel kleiner“, erzählt Risken beim Betreten seiner Backstube. Immer wieder sei diese vergrößert worden. Zum Ausbau habe die Familie sogar das anliegende Grundstück gekauft. „Sonst hätte ich jetzt keinen Platz für meine Brötchenstraße.“
Im Alltagsgeschäft sind vor allem die Stammkunden geblieben – fast 80 Prozent kämen schon seit Jahren regelmäßig. Die Lage gebe wenig Laufkundschaft her. Seitdem der gegenüberliegende Aldi im Jahr 2009 ein paar Meter nach oben gezogen sei, habe sich die Zahl der Kunden verringert. „Die Leute wollen einfach nicht mehr so weit laufen.“ Außerdem hätten viele Supermärkte auch selbst Bäckereien im Geschäft.
Öffnungszeiten Risken‘s Backofen in Bochum
Täglich öffnet Andreas Risken seine Backstube in Bochum-Harpen um 5 Uhr. Der anliegende Laden öffnet um 6.30 Uhr (außer sonntags).
Montag bis Freitag hat Risken‘s Backofen sein Ladenlokal von 6.30 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.
Am Samstag können Kunden bis 13 Uhr frische Backwaren kaufen.
Sonntags verkauft der Bäcker bis 15 Uhr – zuerst wie auch wochentags in seiner Backstube, später im Ladenlokal nebenan.
Adresse: Castroper Straße 199, 44791 Bochum.
Bochumer Familienbäckerei setzt auf Qualität
Aufs Handwerk legt Andreas Risken auch nach vielen Jahren einen großen Wert, darauf, „alles selber“ zu machen. Weder Tiefkühlware noch Fertigmischungen würden für ihn infrage kommen.
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Jeder Keks wird einzeln mit Kuvertüre überzogen und auch die Fruchtmischungen für die Backwaren stellt er selbst her. „Mittlerweile gibt es das alles fertig zu kaufen, aber das machen wir nicht.“ Das bedeutet aber auch mehr Aufwand: „Man arbeitet natürlich ein paar Stunden länger“ – doch ihm sei vor allem die Qualität wichtig, sagt der Bäckermeister. „Darauf verlassen sich die Kunden.“
Keine Freizeit: Bochumer Bäcker verbringt den ganzen Tag in der Backstube
Sein Arbeitstag beginnt fast täglich um 2 Uhr, dann werden die ersten Brötchen gebacken und die Lieferungen vorbereitet. Um die zwölf Stunden verbringe er täglich in der Backstube, sagt Risken. Für andere Sachen bleibe da nicht viel Zeit. „Meine Schlafenszeit muss ich gut einteilen.“ Auf fünf Stunden die Nacht komme er.
Wochenende oder Freizeit kennt der Bäckermeister nicht – 360 Tage im Jahr arbeitet er in der Filiale. „Mein letzter Urlaub war 2019.“ Dennoch sagt Andreas Risken: „Es macht mir Spaß.“
Schon jetzt steht fest: Bei Risken‘s Backofen gibt es keine Nachfolge
Trotzdem steht für den 49-Jährigen schon jetzt fest: Wenn er in den Ruhestand geht, gibt es keinen Nachfolger. „Das habe ich meinen beiden Kindern verboten“, sagt Risken. „Man hat einfach zu wenig Freizeit.“ Sein 16-jähriger Sohn helfe aber ab und zu mal aus. Häufig kommen seine Kinder aber auch einfach so vorbei, um ihren Vater zu sehen. Im Familienbetrieb ist er aufgewachsen, hier ist er auch heute noch zu finden.
„Extremer Strukturwandel“: Ketten übernehmen Kleinbetriebe
Bäckereien, das waren früher klassischerweise Familienbetriebe. Der Verkaufsraum war direkt an die Backstube angeschlossen – vor Ort wurde auch produziert. Mittlerweile ist das anders. Der Trend gehe „heute vermehrt zu zentralen Produktionsstätten“, erklärt Friedemann Berg, Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckereihandwerks. Diese seien dann entweder über ein lokales oder regionales Netz mit den Verkaufsstellen verbunden.
Inzwischen würden Meisterbetriebe oft auch von großen Bäckereien übernommen. Wenn der frühere Besitzer in den Ruhestand gehe, werde die Filiale ins Netz eingegliedert. Somit entstünden aus vielen kleinen Bäckereien mehrere große, mit einer Vielzahl an Filialen.
„Wir befinden uns schon seit 30 Jahren im extremen Strukturwandel“, sagt Henning Funke vom Bäckerinnungsverbandes West. Auch mit Blick auf Bochum sei das ein normaler Prozess. „Mittlerweile gibt es eine größere Betriebsstruktur.“
Wenn ein kleiner Betrieb schließe, gebe es dadurch nicht automatisch weniger Bäcker-Filialen. „Im Jahr verlieren wir ungefähr drei Prozent der Betriebe, im Gegenzug gewinnen wir Geschäftsstellen dazu.“ Meistens werde lediglich die Backstube geschlossen, aber nicht die Filiale selbst. Denn die laufe dann über die zentrale Produktion eines Betriebes. „Die Mitarbeiter werden übernommen“, so Funke.
Der bürokratische Aufwand von Bäckereien nehme stetig zu, erklärt Friedemann Berg. Aber vor allem der Nachwuchsmangel mache sich in den Bäckereien bemerkbar. Der Zentralverband versuche, daran etwas zu ändern. Die Ausbildungsverordnung soll überarbeitet werden, aber auch die Arbeitszeitmodelle sollen in Zukunft flexibler gestaltet werden.