Bochum-Altenbochum. Vor sieben Jahren stand die Trinkhalle in Bochum vor dem Aus. Mittlerweile hat sie einen neuen Standort, neue Betreiber – und viel zu erzählen.
Schon urig, der Laden! Die Sitzecke mit Plüschsesseln wie aus Omas Zeiten, der alte Holztresen, der sympathische Empfang: „Kommt rein und fühlt euch wohl“, schlägt Max Hoffmann vor. Seit drei Jahren betreibt er gemeinsam mit seinem besten Freund Marcel Herrmann den „Kult-Kiosk“ am Freigrafendamm in Bochum. Mit einem Büdchen, in dem Kippen, Klümpkes und Cola durchs Fenster verkauft werden, hat das geräumige Ladenlokal nicht viel zu tun: Er sieht mehr aus wie ein kleines Café – und ist längst zu einer festen Adresse im Altenbochumer Alltag geworden. Dabei wäre beinahe alles ganz anders gekommen.
„Kult-Kiosk“ in Bochum nach Protesten gerettet
Rund sieben Jahre ist es her, seit der „Kult-Kiosk“ an seinem ehemaligen Standort schräg gegenüber an der Ecke Liebfrauenstraße kurz vor dem Aus stand. Unweit des alteingesessenen Büdchens, das über 65 Jahre dort bestand, sollte ein Neubauprojekt mit 39 Wohnungen plus Tiefgarage entstehen. Den früheren Betreibern wurde gekündigt, die Tage der kleinen Trinkhalle schienen gezählt.
Doch so leicht schafft man in Altenbochum keinen Klassiker ab, im Stadtteil formierte sich gehöriger Protest – mit Erfolg: Fürs „Kult-Kiosk“ wurde ein neuer Standort in einem ehemaligen Second-Hand-Laden gefunden, sogar die Fassade des alten Büdchens wurde gerettet. Sie steht auf Betreiben von Paul Kortmann, früherer Obmann beim VfL Bochum, mittlerweile auf dem Trainingsgelände neben dem Ruhrstadion.
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Die wilden Zeiten im „Kult-Kiosk“ sind also vorbei, doch für den neuen Betreiber Max Hoffmann ist das noch lange kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. „Irgendwas ist immer, so richtig frei hat man nie“, erzählt er. Der 32-Jährige studierte Betriebswirtschaften in Dortmund und wagte danach den Schritt in die Selbstständigkeit. „So ein normaler Job im Großraumbüro ist einfach nichts für mich“, sagt er. „Ich wollte mein eigener Herr sein, auch wenn man dafür oft viel länger und viel härter arbeiten muss.“
Dabei ist das Trinkhallen-Gewerbe ein herausforderndes Geschäft: „Man muss das schon machen wollen“, sagt er. Gerade in Zeiten, in denen manche Supermärkte und Discounter teils bis spät in den Abend geöffnet haben, fällt es den Büdchen um die Ecke oft schwer, Schritt zu halten. „Allein schon wegen der überall gestiegenen Preise müsste ich die Bonbontüte theoretisch für das Dreifache verkaufen, aber das mache ich natürlich nicht“, so Hoffmann. „Ich möchte hier ja niemanden verprellen.“
Doch im Gegensatz zum hektischen Treiben an der Supermarktkasse hat ein Büdchen wie das „Kult-Kiosk“ einen entscheidenden Vorteil: den persönlichen Kontakt zu den Kunden. Viele kommen regelmäßig und schätzen das ausgiebige Pläuschchen, das man mit Hoffmann und seinem Team machen kann. „Ich bin Kummerkasten, Sozialarbeiter und Therapeut für halb Altenbochum“, scherzt er. Ob es darum geht, Hilfe für den Umzug zu organisieren, einen Handwerker aufzutreiben oder sich gegenseitig in nahezu allen Lebenslagen zu unterstützen: „Wir sind Ansprechpartner für alles“, sagt Hoffmann, der auch schon bei mancher Ehekrise beratend zur Seite stand.
Lange Arbeitstage, kein Wochenende
Der „Kult-Kiosk“ ist täglich von 7 bis 20 Uhr geöffnet. Für Max Hoffmann und seine Mitarbeiter bedeutet das oft lange Arbeitstage, die ihnen dennoch Freude machen. „Wir sind ja hier kein klassischer Fensterverkauf, bei dem man nur Hallo und Tschüss sagt“, meint er. „Unser Kiosk ist wie ein kleines Wohnzimmer.“ Nur ein Pilsken getrunken wird dabei nicht: „Der Konsum von Alkohol ist im Umkreis von 50 Metern leider verboten.“