Immer mehr jüngere Menschen, darunter auch zunehmend Frauen, geraten in die Schuldenfalle und können ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen. Das ist ein Ergebnis des von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform vorgestellten Schuldneratlanten.
In Bochum leben derzeit 34 350 Privatpersonen über 18 Jahre in völlig überschuldeten Verhältnissen. Das geht aus dem jetzt vorgelegten aktuellen Schuldneratlas des Unternehmens Creditreform hervor. Die Zahl der Menschen, die ihre Schulden nicht mehr zahlen können sei gegenüber 2008 um 3 750 Personen zurückgegangen. Im Vergleich zwischen den untersuchten Städten liegt Bochum mit einer Kaufkraft von 18 553 Euro an der Spitze, gefolgt von Recklinghausen (17 500 Euro) und Herne mit 16 495 Euro pro Einwohner.
In Bochum kletterte die Schuldnerquote zwischen 2004 bis 2007 kontinuierlich von 10,13 auf 11,97 Prozent. Erst in den beiden letzten Jahren setzte parallel zum Rückgang der Arbeitslosigkeit auch eine Reduzierung der Schuldenlast bei den betroffenen Bürgern ein. Parallel dazu ging die Arbeitslosenquote zurück bis auf 10,2 Prozent im Jahr 2009.
Die meisten Schuldner leben in Nordwesten der Stadt in Wattenscheid, Hordel, Hamme, Hofstede und Mitte. die wenigsten überschuldeten Menschen leben in Stiepel (5,49 %). Danach folgen Wiemelhausen (6,57 %) Höntrop/Eppendorf (6,65 %), Weitmar (7,82) und Altenbochum mit noch 8,17 Prozenten.
Eine Untersuchung der GfK Marktforschung GmbH zeige, dass das durchschnittlich verfügbare Einkommen in den schuldnerarmen Stadtteilen deutlich höher liegt als in den schuldnerreichen. So liege es in Stiepel im Schnitt bei 23 363 Euro/Jahr, im Vergleich zu 17 864 Euro/Jahr in Bochum-Mitte.
Geschäftsführer Thomas Glatzel erläutert zu den Ursachen der Überschuldung: „Hauptrisiken sind weiterhin Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung.” Außerdem würden immer häufiger auch jüngere Menschen in die Schuldenfalle tappen. Allerdings sei bei dieser Personengruppe die Summe der aufgelaufenen Schulden noch nicht so hoch wie bei älteren Schuldnern. Grundsätzlich gelte, dass Überschuldung nach wie vor überwiegend „Männersache” sei, wobei allerdings Frauen häufiger als noch vor Jahren in eine solche Situation gerieten. Nach Einschätzung von Glatzel spiegele sich eine Konjunkturkrise nicht unmittelbar bei den Schulden wider. „Hier beobachten wir eine Zeitversetzung von etwa zwei Jahren.”
Creditreform nutzt als Basis seiner Statistik die Daten von Unternehmen, die sich immer dann, wenn Schuldner nicht mehr zahlen können, an Creditreform wenden.
Zur Aussagekraft eines solchen Schuldneratlanten äußert sich auch die Schuldnerberatung Bochum. Geschäftsführer Erwin Tollewski betont: „Wir entwickeln uns immer mehr zu einer Gesellschaft, die auf Pump lebt.” Vielfach kämen Menschen, die jeden Tag arbeiten, nicht über die Armutsgrenze hinaus. Die Schuldnerberatung sieht immer mehr Menschen, denen nur noch der Ausweg einer „Verbraucher-Insolvenz” bleibe.
In sechs Jahren werde das Verfahren zu Ende gebracht. Wobei die Gläubiger dann wenigstens einen Teil ihrer Schulden eintreiben könnten. Dem Schuldner bleibe am Ende immerhin die Gewissheit, dass keine weiteren Forderungen mehr auf ihn zukommen.