Bochum. Generationenwechsel in einer Bochumer Kneipe: Der Junior übernimmt und will einiges anders machen. Aber nicht alles. So sieht sein Plan aus.
„Das wäre wirklich bitter gewesen“, sagen Rainer, Klaus und Addi. Die drei sitzen draußen vor der Gaststätte „Bei Franco“ in Bochum-Werne beim Bier zusammen. Wie jeden Samstagmorgen. „Zum Frühschoppen.“ Wenn es schlecht gelaufen wäre, hätten sie sich dafür einen anderen Ort suchen müssen. Aber wo? „Bei uns gibt es sonst nur noch zwei Kneipen, das Dolce Vita und das Stammhaus Abel. Aber das ist ja eher ein Restaurant“, wissen die drei. Doch es ist ja nicht schlecht gelaufen. Wirt Franco Virgillito hört zwar auf, aber der Nachfolger steht schon bereit. Er kommt aus der eigenen Familie.
Wechsel in Bochumer Gaststätte: Papa übergibt an den Sohn
Sohn Roberto hat sogar bereits offiziell übernommen. Seit 1. Mai führt der 43-Jährige die Gaststätte an der Wittekindstraße 89. Sein Papa ist sehr glücklich darüber. „Sonst wäre hier ein Stück Kultur kaputtgegangen.“ Franco ist jetzt 66 und tritt aus Altersgründen kürzer. „Ich möchte hier nicht herausgetragen werden“, sagt er.
34 Jahre hat Franco die Wirtschaft geführt, davor fünf Jahre lang die Gastronomie in der Kleingartenanlage Flora ein paar Hundert Meter die Straße hoch. Nun soll Schluss sein. Zumindest ein bisschen. „Wenn mein Sohn mich braucht, bin ich da und helfe.“ Aktuell ist das noch häufig der Fall. Vielleicht auch ganz gut so. „Ich merke schon nach den paar Tagen, dass man träger wird“, sagt Franco über den noch so jungen Ruhestand. „Die neue Situation fällt mir schon schwer. Es ist ein ganz anderer Lebensrhythmus.“
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Was ihm am meisten fehlt? „Meine Frau“, antwortet Franco, ohne lange nachdenken zu müssen. „Sie ist vor acht Jahren gestorben. Wir haben hier alles zusammen gemacht. Danach war ich im Keller. Doch die Arbeit hat mich abgelenkt.“ Vor allem der Umgang mit den Gästen. „Das hat mir immer am meisten Spaß gemacht.“ Jetzt sei er doch sehr einsam und froh, wenn der Sohn nach ihm ruft.
Das ist auch das, was Roberto Virgillito an seinem Job so mag. Schon als Kind hat er seinen Eltern geholfen, so wie jetzt seine beiden Töchter Luciana (19) und Lorena (16) auch schon mit anpacken. Viele Gäste kennen ihn noch als Pimpf. „Wir haben den Roberto hier aufwachsen sehen“, sagen Angnes, Petra und Gisela, die regelmäßig zu Franco kommen. Jetzt ist der Stepke von einst ein stattlicher Mann und serviert ihnen gekonnt und charmant Pils und Sekt.
Er wisse genau, mit wem er Späße machen könne und bei wem er sich zurückhalten und einfach nur höflich sein müsse, sagt Roberto, der zwar gerne hinterm Tresen steht, noch viel lieber aber in der Küche Pizza und Pasta zubereitet. „Das hat mich als Kind schon immer interessiert“, sagt er. „Ich habe den Köchen immer zugeguckt und irgendwann dann darum gebeten, auch mal eine Pizza machen zu dürfen.“
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Die Pizzen von Franco sind in Werne beliebt. Besonders die scharfen – die Pizza Bochum und die Pizza Dorf mit sizilianischer Bratwurst. „Das hat mit meiner Herkunft zu tun“, sagt Franco. „Ich komme aus Sizilien. 1976 kam ich nach Bochum und habe zunächst bei Opel gearbeitet, ehe ich 1985 die Flora übernommen habe.“
An der Speisenkarte will Roberto einiges ändern. „Ein paar mehr Gerichte sollen drauf, vor allem zeitgemäßere und mehr vegetarische.“ Auch Tapas möchte er irgendwann anbieten, dazu Cocktails und Getränke in Flaschen. Der Saal soll modernisiert werden, vorne sollen zwei Geldspielautomaten ausgestellt werden. „Alles soll ein bisschen trendiger werden“, sagt der Familienvater, der auch noch einen kleinen Sohn hat, Leandro (8). „Der soll das aber ja nicht machen und was Anständiges lernen“, lacht der Papa.
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Er selbst habe vorher einen Kiosk betrieben, als sein Vater ihn fragte, ob er die Gaststätte übernehmen wolle. „Sonst hätte der Vermieter hier Wohnungen draus gemacht“, berichtet Franco. Zum Glück hat Roberto nicht lange gezögert. „Jetzt weiß ich alles hier in guten Händen. Das beruhigt mich.“
Früher um die 60 Gaststätten, heute nur noch drei
Die Öffnungszeiten will Roberto Virgillito ebenso wie den Namen „Bei Franco“ vorerst beibehalten. Mit einer Ausnahme: „Ruhetag ist jetzt nur noch am Dienstag, am Mittwoch ist ab sofort wieder geöffnet.“ Er überlege auch, vormittags zu öffnen. „Das werde ich dann aber erstmal austesten.“
Früher habe es in Werne um die 60 Gaststätten gegeben, sagen die Virgillitos. Darunter das Haus Heinemann, das heutige „Bei Franco“. Aktuell gebe es nur noch drei Gastronomien im Stadtteil. Die Ausgehkultur habe sich sehr verändert, vor allem auch seit Corona, sagt Franco Virgillito. Die Gäste seien unberechenbarer geworden. „Früher war klar, dass es am Wochenende voll wird. Da hat man entsprechend Personal besorgt. Heute ist das völlig offen, da kann es plötzlich am Mittwoch brummen.“ Da sei es schwer zu kalkulieren. Eines aber ist für ihn klar: „Ohne Essen geht es nicht. Nur mit Getränken würden wir das nicht schaffen.“