Bochum. Künstliches Licht kann Mensch, Tier und Umwelt belasten. Die Bochumer Politik will dagegen etwas tun. Ein Forscher erklärt, was helfen würde.
Christopher Kyba läuft durch die Straßen in der Bochumer Innenstadt, bleibt immer wieder stehen und schüttelt den Kopf. Überall fallen ihm schlecht ausgewählte und eingestellte Lichter auf. Er deutet auf die Straßenlaternen vor dem Hauptbahnhof, eine kleine mit kreisförmigen Lampen und eine hohe mit flachen Leuchten. Die flachen Lampen strahlen direkt nach unten. Damit sind sie gut für ihr Umfeld, sagt Kyba. Bei den kreisförmigen ist das anders. Das Licht trifft auf den Kegel, bricht dort und streut nach unten, zur Seite und in den Himmel.
Christopher Kyba beschäftigt sich an der Ruhr-Universität Bochum und am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam damit, wann Licht Menschen, Tieren und der Umgebung schadet – und wie es besser geht. In der Wissenschaft fällt das unter den Begriff Lichtverschmutzung. „Wenn Sie einmal verstanden haben, wie Beleuchtung funktioniert, können Sie nicht mehr aufhören, es zu sehen“, sagt der Forscher.
Für Menschen und Tiere sind zu viel Licht und künstliche Helligkeit problematisch. „Unsere Biologie erwartet einen hellen Tag und eine dunkle Nacht. Wir haben aber permanente Dämmerung: Am Tag ist es zu dunkel und am Abend zu hell“, erklärt Kyba. Büros beispielsweise seien von innen oft schwach beleuchtet. „Dort bekommen wir nicht das Signal: Jetzt ist Tag.“ Abends kehre sich das durch die vielen Lichter um. Das signalisiere dem Körper, dass er sich wach halten müsse. Für nachtaktive Tiere wie Fledermäuse sei das besonders schlimm. „Sie richten an hellen Orten nicht ihr Quartier ein, weil sie Angst vor der Beleuchtung haben.“
Verschiedene Städte können auf verschiedene Arten beleuchten
Orte mit guter Beleuchtung gibt es in Bochum aber auch. Kyba bleibt in einer Passage in der Nähe des Hauptbahnhofs unter einer Reihe mit Lichtspots stehen. Die Lampen strahlen senkrecht auf den Boden. „Wenn wir hier stehen, glauben wir, dass es sehr hell ist, aber von Weitem blendet es kaum.“
Der Forscher betont, dass Licht in einer bestimmten Helligkeit nicht pauschal gut oder schlecht sei. „Das Licht muss angepasst an die Umgebung sein. Im Naturpark ist das anders als in der Stadt.“ Daher sei es möglich, unterschiedliche Orte auf unterschiedliche Arten zu beleuchten. „Eine Großstadt und eine Kleinstadt kommen wahrscheinlich zu verschiedenen Entscheidungen, weil sie die Beleuchtung am Umfeld ausrichten.“
Licht macht Orte und Straßen nicht sicherer
In Deutschland ist die Lichtverschmutzung im Vergleich zu vielen anderen Ländern geringer. Deutschland beleuchte „sehr konservativ“ und „viel weniger als andere Länder“, sagt Kyba. In den USA beispielsweise seien Lichter je nach Region drei- bis fünfmal heller als hier. Von manchen Ländern könne sich Deutschland aber etwas abschauen, erklärt Kyba am Beispiel Frankreichs. Dort gehe in allen Geschäften eine Stunde nach Ladenschluss das Licht aus.
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Oft gilt Licht als Mittel, um Straßen und Orte sicherer zu machen. Dass es dabei wirklich hilft, ist nicht erwiesen. Aus Kybas Sicht sei es verständlich, so zu denken. „Menschen fürchten sich mehr, wenn es dunkel ist. Das ist aber nur eine Assoziation“, erklärt der Forscher. „Die Idee, jedes Dorf bis drei Uhr nachts zu beleuchten, weil sich jemand unangenehm fühlen könnte, ist nicht angepasst. Wenn wir über Sicherheit reden, sollten wir unsere Umgebung sicherer machen und nicht einfach das Licht heller.“
Bei der Beleuchtung kommt es auf das Ausmaß an
Warum beleuchten wir Orte und Straßen dann überhaupt? „Wir wollen in der Nacht aktiv sein“, sagt Kyba. Dafür brauche es Licht, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Manchmal sei Beleuchtung wichtig, damit wir uns orientieren können, zum Beispiel bei Straßenmarkierungen und U-Bahn-Schildern. Sie sollten aus Kybas Sicht so lange leuchten, wie die Stationen geöffnet sind.
Hier gebe es aber Abstufungen, erklärt Kyba am Beispiel eines Parkhauses. Der Forscher steht am Rand der Einfahrt in die Tiefgarage, die meterlang in grellem Blau strahlt. „Natürlich müssen wir wissen, wo die Straße endet. Das ist wichtig – aber nicht in dem Ausmaß.“
Die Beleuchtung in Deutschland verbessert sich
Noch auffälliger sei es bei Schaufenstern, Unternehmenslogos und Werbetafeln. „Sie müssen nicht um ein Uhr nachts beleuchtet sein, wenn niemand mehr auf der Straße ist.“ Wenn ein Geschäft schließe, solle es seine Lichter ausschalten. Werbetafeln seien oft zu grell und sollten zumindest gedimmt sein. „Sie leuchten und flackern, das kann blenden und irritieren.“ Ein weiterer Aspekt sei die Farbtemperatur – also, ob eine Lampe in kaltem, bläulichen oder in warmem, orangefarbenen Licht leuchtet. Das kalt-weiße Licht blendet laut Kyba mehr. Besser sei es, ein warmes Licht wie bei Kerzenschein zu wählen.
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Wie viel und auf welche Art eine Stadt beleuchtet, ist laut Kyba eine „politische Entscheidung“. In Deutschland beobachtet der Forscher einen Wandel. Manche Lichter und Reklamen würden mittlerweile schwächer leuchten oder seien zeitweise ganz ausgeschaltet. Dass es dadurch dunkler sei, sei zwar ungewohnt, aber nicht schlimm. „Nach einiger Zeit kann es sein, dass wir besser sehen, weil die Blendung wegfällt.“
Um die Lichtverschmutzung in Bochum zu verringern, hat der Umweltausschuss im November des vergangenen Jahres einen Lichtaktionsplan beschlossen. Die Stadt soll dafür jetzt Maßnahmen erarbeiten.
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Mit diesem Plan einen Ansatz zu haben, ist aus Kybas Sicht gut, aber es komme auf die Umsetzung an. Beispielsweise sei es wichtig, zu helle Leuchten nicht mehr zu erlauben. Dass sich die Bochumer Politik mit dem Thema beschäftigt, befürwortet der Forscher – auch, weil das Thema unpopulär sei. „Es ist kein Wahlkampf-Thema, weil es emotional behaftet ist und Gegner sagen werden: Die Politik will uns in die Dunkelheit setzen.“ Daher sei es wichtig, gemeinsam Lösungen zu suchen. „Sonst haben wir eine Überbeleuchtung, weil sich die Leute nicht absprechen.“