Bochum. Zurückhaltend statt schrill, Klasse statt Masse: So möchte Bochum die City gestalten. Ein erstes Regelwerk wurde gekippt. Nun reagiert die Stadt.
Kein Wildwuchs in der Innenstadt. Mit einer Gestaltungssatzung will die Stadt Bochum dafür sorgen, dass ihre City weniger bunt und schrill wirkt, sondern „ein ansprechend gestaltetes Stadtbild mit hoher Aufenthaltsqualität“ hat. Es ist der zweite Anlauf, nachdem das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im vergangenen Jahr die 2020 auf den Weg gebrachte erste Variante der Satzung als „unverhältnismäßig“ bezeichnet hatte.
Bochum berücksichtigt Kritik des Verwaltungsgerichts
Ein Shisha-Bar-Besitzer hatte geklagt, nachdem ihm die Genehmigung für eine Terrassenüberdachung versagt worden war. Das Gericht gab ihm recht. Seine zentrale Kritik: Die Satzung galt für die nahezu komplette Innenstadt, vom Nord- bis zum Südring, vom West- bis zum Ostring. Das aber sei „zu pauschal“. Es müsse ein kleinteiligeres, abgegrenztes Regelwerk her, „das die individuellen Besonderheiten und Baustile eines Viertels berücksichtigt“, so Gerichtssprecher Wolfgang Thewes. „Da muss die Stadt Bochum ganz von vorne anfangen.“ Ärgerlich war das aus Sicht der Kommune auch, weil sie zuvor knapp 100.000 Euro für ein Gestaltungshandbuch ausgegeben hatte. Darin hatten die Autoren für mehr Qualität und Zurückhaltung anstatt bunter Effekthascherei geworben.
Gericht spricht eine Hinweisverfügung aus
Nach dem Aus vor Gericht setzte der Stadtrat in einem ersten Schritt per Beschluss die Satzung außer Kraft. Nun soll die Politik über die neue Variante, die Gestaltungssatzung 1000 Gb, entscheiden, an deren Ausarbeitung auch eine Rechtsanwaltskanzlei beteiligt war. Der Planungsausschuss hat sich am Dienstag damit beschäftigt und mit großer Mehrheit zugestimmt. Der Rat wird Mitte März entscheiden, ob das neue Regelwerk übernommen wird.
Die Sorge der Politik hat Ratsmitglied Karl-Heinz Sekowsky (UWG) formuliert: „Ist die Satzung so gestaltet, dass keine neuen Klagen zu erwarten sind?“ Mit Gewissheit lasse sich das nicht sagen, sagt Stadtbaurat Markus Bradtke. „Ich gehe aber davon aus, dass wir jetzt ein höheres Maß an Rechtssicherheit haben.“ Im neuen Entwurf werde ausführlich auf die Hinweisverfügung des Gerichts eingegangen (Bradtke: „Es hat kein Urteil gegen die Stadt gegeben“). Auch haben sich die Autoren mit der Fragen beschäftigt, ob es rechtlich überhaupt möglich ist, Innenstädte gestalterisch zu schützen, ohne dass sie eine historische Bedeutung wie etwa die in Rotenburg haben.
Im übrigen sei die Verwaltung positiv überrascht darüber, dass Elemente der alten Satzung akzeptiert werden, auch wenn sie nicht mehr gültig sei. Als Beispiel nennt der Baudezernent den deutlichen Rückgang von „Werbestoppern“, mit denen Kaufleute auf ihre Angebote aufmerksam machen. Die Zahl der Aufsteller sei deutlich zurückgegangen.
Kleinere Geltungsbereich als in der ersten Varainte
Eine der wesentlichen Änderungen der neuen Satzung ist der Geltungsbereich (Grafik). Er umfasst nur noch einen Teil der vorherigen Fläche, nämlich das Gebiet zwischen Kurt-Schumacher-Platz (teilweise), Südring (teilw.), Westring (teilw.), ABC-Straße (teilw.), Husemannplatz, Viktoriastraße (teilw.), Hans-Böckler-Straße (teilw.), Bebauung an der Brückstraße (teilw.), Nordring (teilw.), Untere Marktstraße (teilw.), Bebauung an der Bleichstraße (teilw.) und Massenbergstraße (teilw.).
Das neue Regelwerk fußt nun auf einem „ganzheitlichen Planungsansatz“, den der damalige Stadtbaurat Clemens Massenberg unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Weg gebracht hatte. „Bochum war die erste Großstadt in Nordrhein-Westfalen, die einen Neuordnungsplan vorgelegt hat und dabei einen – anders als andere Städte – ganzheitlichen Planungsansatz verfolgte“, heißt es in der aktuellen Verwaltungsvorlage. Erkennbar sei heute noch ein einheitlicher Grundbautyp im gesamten Citybereich der zwischen 1945 und 1969 errichteten Gebäude.
Geregelt werden Details von der Fassade bis zur Außengastronomie
Eines der wesentlichen Merkmale: hochrechteckig ausgebildete Fassaden mit einem hochrechteckigen Fensterformat. Störend wirkten dagegen „die für die Innenstadt untypischen liegenden oder quadratischen Fensterformate, die vereinzelt bei Gebäuden ab den 1970ern eingebaut wurden und auch häufiger bei Umbauten von Gebäuden der Nachkriegsmoderne ursprünglich horizontale Fenster ersetzt haben“, heißt es in der Verwaltungsvorlage. Fenster mit liegendem Format sollen künftig nur dann zulässig sein, „wenn durch eine vertikale Teilung hochrechteckige Formate ausgebildet werden“.
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Ein weiteres Beispiel aus der 39-seitigen, detaillierten Satzung: „Als freistehende Überdachungen sind für alle Betriebe nur Schirme zulässig. Damit wird ein einheitlicher Typ von Überdachungen vorgeschrieben.“ Außerdem müssen die Schirme je Betrieb gestalterisch einheitlich und einfarbig sein. Geregelt werden insgesamt zahlreiche Aspekte, angefangen von Fassaden und Fenstern über Dächer und Werbeanlagen bis hin zur Außengastronomie.