Bochum. Keine OP, keine Nebenwirkung: Johannes Karges (31) hat eine neue Methode der Chemotherapie entwickelt. Erste Tests zeigen: Sie funktioniert.
Die Chemo-Therapie ist bei der Behandlung von Krebs ein bewährtes Mittel. Gleichzeitig sind die Nebenwirkungen der Medikamente – Übelkeit, Haarausfall, Leber- oder Nierenschäden – enorm. Johannes Karges, Chemiker an der Ruhr-Universität Bochum, hat zu einer Behandlungsmethode geforscht, die die gesunden Zellen nicht schädigt. Dafür hat er nun einen Preis bekommen.
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„Das Problem ist, dass die Chemo alles im Körper angreift. Deshalb geht es den Leuten dadurch auch so schlecht“, erklärt der 31-Jährige. Rund die Hälfte aller Medikamente, die zur Chemotherapie gegen Krebs eingesetzt werden, sind platinbasiert. Sie wirken gegen Tumorzellen, schädigen aber auch gesunde Körperzellen. Dadurch kommt es zu den vielen Nebenwirkungen.
Chemo-Therapie, die für den Körper unschädlich ist: So funktioniert sie
Karges, der an der Ruhr-Universität im Bereich der Anorganischen Chemie forscht, fragt sich, wie es möglich ist, dem entgegenzuwirken. In seiner Forschung setzt er auf die sogenannte doppelte Selektivität. Die zellschädigenden Wirkstoffe werden in Nanopartikel verpackt, die für den Körper unschädlich sind. Sie sind zudem so gekennzeichnet, dass sie sich vor allem in Tumorzellen anreichern. „Sie docken an einen bestimmten Rezeptor an, der in Krebszellen übermäßig vorhanden ist“, erklärt Karges. Ihre zellschädigende Wirkung entfalten sie erst dann, wenn sie aktiviert wurden.
Das gelingt den Forschenden mittels Licht und Ultraschall. „Im Idealfall ist kein operativer Eingriff zur Behandlung eines Tumors mehr notwendig“, so die Vision von Karges. „Man verabreicht das noch wirkungslose Medikament in die Vene, wartet ab, bis es sich im Tumor angesammelt hat, und setzt sich dann vor eine Rotlichtlampe, deren Strahlung die Wirkung gezielt anschaltet.“ Behandelt würde so nur der Tumor, Nebenwirkungen bleiben aus.
Soweit die Theorie. Doch klappt das auch in der Praxis? „Wir haben die neuentwickelten Verbindungen zunächst chemisch charakterisiert und die selektive Lichtaktivierung (...) getestet“, erklärt Karges. Anschließend seien die Substanzen dann unter anderem in Brustkrebszellen und Modellen für Mikrotumore untersucht worden. „In den neusten Studien konnten wir (...) unser Therapiekonzept auch in Mäusen mit Tumoren nachweisen.“
Die Methode von Karges und seinem Team – zwei Doktoranten, zwei Master- und drei Bachelor-Studierende gehören dazu– behandelt Brustkrebs. „In zukünftigen Studien könnte sich die selektive Behandlung auch auf andere Krebsarten ausgeweitet werden “, so der Chemiker.
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Auszeichnung schafft Sichtbarkeit für die Forschung
Vergangene Woche hat er für seine „herausragende Leistung“, so heißt es in einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität, den „Breast Cancer Research Junior Award 2023“ erhalten. „Das ist eine tolle Anerkennung die Arbeit meiner Forschungsgruppe“, sagt der Bochumer. Der Preise schaffe Sichtbarkeit, etwas das für das weitere Vorhaben auch notwendig ist.
Zur Person: Johannes Karges
Johannes Karges (Jahrgang 1992) studierte Chemie an der Philipps-Universität Marburg. Nach dem Bachelorabschluss setzte er sein Studium zunächst am Imperial College London fort, seinen Master erwarb er 2016 in Marburg. Anschließend zog Karges nach Paris, um dort Doktorarbeit in medizinischer anorganischer Chemie zu schreiben. Einen Teil dieser Arbeit absolvierte er in einem Labor an der Sun Yat-Sen University (China).
2020, nach erfolgreicher Promotion, schloss Karges sich einer Gruppe an der University of California in San Diego an. 2022 erhielt er ein Liebig-Stipendium des Fonds der Chemischen Industrie und damit die Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren. Er gründete er seine eigene Forschungsgruppe an der Fakultät für Chemie und Biochemie der Ruhr-Universität. Der Fokus der Gruppe liegt an der Schnittstelle von anorganischer und medizinischer Chemie.
„Wir hoffen in Zukunft unsere Forschung in die nächste Entwicklungsstufe zu den Patienten in die Klinik zu bringen“, sagt Karges. Dabei würde der Erfolg seiner Behandlungsmethode an Menschen, die an Brustkrebs erkrankt sind, weiter getestet. Doch im universitären Umfeld sei das nicht möglich. „Hierzu sind wir auf der regen Suche nach Partnern aus der pharmazeutischen Industrie.“ Derzeit schaut sich der Forscher nach einem größeren Pharma-Unternehmen um, das in seine Entwicklung investieren würde.