Bochum. Drogen, Handy, Sim-Karte: Nach all dem haben Hunde in Zellen von Sexual- und Gewalttätern in Bochum gesucht. Die Fähigkeit der Tiere überrascht.
Das fast 130 Jahre alte Hafthaus 4 der JVA Bochum hat am Freitagmorgen einen überraschenden Besuch bekommen. Er war bei den dort untergebrachten 24 Häftlingen – alles Sexual- und Gewalttäter – nicht angemeldet.
Sechs Hündinnen und Hunde mit einem Halsband, auf dem „Justiz“ steht, durchschnüffelten ihre Hafträume. Ihre Aufgabe: Drogen, Handys und SIM-Karten aufspüren. Alles Sachen, die im geschlossenen Strafvollzug wie der JVA Bochum streng verboten sind.
Auch SIM-Karten und Handys können die Hunde erschnüffeln
Sollte ein Häftling tatsächlich so etwas versteckt haben, hat er kaum eine Chance, nicht erwischt zu werden: Die belgischen Schäferhunde (Malinois) sind absolute Spezialisten, die selbst kleinste Geruchsmoleküle von Drogen fast aller Art erschnuppern. Sie spüren sogar eine kleine Speicherkarte auf, die in der Kamera-Tasche der WAZ-Fotografin liegt. Sie sind darauf trainiert.
Profischnüffler auf vier Pfoten suchen Drogen
Die kraftvollen und drahtigen Tiere gehören zur „Justiz-Diensthundestaffel“, die seit 2010 in ganz NRW unterwegs ist. Die Hundeführer haben sie über Kommandos wie „Platz!“ und „Komm!“ derart gut im Griff, dass jeder normale Hundebesitzer vor Neid erblassen könnte. An jedem Tag sind sie mit den Hunden, die bei ihnen privat zu Hause leben, in einer anderen JVA im Einsatz und suchen die Hafträume ab. „Im vergangenen Jahr haben wir 430 Funde gehabt“, sagt Hundeführer Guido Schindler. Auch in Bochum wird immer mal wieder etwas Verbotenes aufgespürt.
Schindler koordiniert die Staffel, die aus acht Männern und Frauen besteht – und zwölf Hündinnen und Hunden. „Mein Hund hat beim vorletzten Einsatz in Bochum ein Samsung-Handy in einem DVD-Player gefunden“, sagt Schindler.
Sinne der Hunde arbeiten unter Volllast
In Bochum erscheinen die Supernasen alle paar Wochen. Wenn der Hundeführer das Kommando zum Start gibt, stehen die durchtrainierten Tiere sofort unter Strom. All ihre Sinne arbeiten unter Volllast. Hochkonzentriert springen die Vierbeiner auf Tisch, Stuhl und Schrank und schnüffeln in jeder Ritze, jedem Spalt, jeder Ecke, jede Schublade, jedem Hohlraum. Natürlich stecken sie die Schnauze auch unters Bett, zumal die Häftlinge dort immer allerlei Klamotten gelagert haben. Sie flitzen mit so viel Power durch die kleine Zelle, dass sie mehrere Atemzüge pro Sekunde machen. Sie hecheln wie ein 100-Meter-Sprinter im Ziel. Wenn sie etwas gefunden haben, stoppen sie blitzartig ihre Bewegungen – sie frieren ein, wie die Hundeführer sagen.
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„Die Arbeit ist anstrengend“, sagt Hundeführer Mehnert. „Deshalb eignet sich die Rasse Malinois so gut dafür. Die haben selten wenig Bock, weil die den Arbeitswillen haben.“ Nach 15 bis 20 Minuten brauchen aber auch sie eine Pause.
Mit Drogen und Handys hat jede JVA ein Problem. Ein Großteil der Häftlinge hat ein Suchtproblem. Außerdem wollen einige Häftlinge auch aus dem Knast heraus weiter ihre (kriminellen) Geschäfte steuern. Die Schmuggelware wird von unbekannten Helfern über die Gefängnismauern geworfen oder bei Besuchen eingeschleust. Die Tricks sind so raffiniert, dass selbst strenge Kontrollen am Eingang nicht alles entdecken. Neuerdings gibt es auch synthetische Drogen, die auf unscheinbares Papier aufgebracht und unsichtbar sind und von den Konsumenten abgeleckt werden. So etwas als Schmuggelware zu erkennen, ist kaum möglich.
In einer JVA wurden schon einmal 80 Gramm Marihuana erschnüffelt
Ein Großteil der Gefangenen hat ein Suchtproblem. „Zum größten Teil konsumieren die Gefangenen Cannabis“, sagt Hundeführer Schindler – Marihuana und Hasch. Anders als die polizeilichen Drogenfahnder finden die Justiz-Hundeführer im Knast aber fast nur Kleinstmengen im untersten Grammbereich. Einmal erschnupperten die Hunde, die Pepe, An, Naomi oder Jada heißen, aber auch 80 Gramm auf einmal.
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Natürlich arbeiten die Hunde im Staatsdienst nicht für lau. Auch sie brauchen eine Belohnung. Die bekommen sie in Gestalt eines besonders beliebten Spielzeuges, das sie in ihrer Freizeit sonst nicht haben (etwa eine Beißwurst), oder Futter. Und zwar auch dann, wenn sie gar keinen Fund gemacht haben. Die Hundeführer wollen sie aber bei Laune halten und verstecken dann hinter ihrem Rücken selbst mitgebrachtes Rauschgift wie Hasch oder Ecstasy in der Zelle. Dieses finden die Tiere natürlich schnell – und werden somit in ihrer Arbeit bestätigt.
Trainingszentrum im Hochsauerland
Die Justiz-Diensthundestaffel NRW ist seit 2010 im Einsatz. Die Tiere werden in einem Trainingszentrum im Hochsauerlandkreis ausgebildet. Dies dauert einige Monate.
Die JVA Bochum hat keine eigenen Hunde, anders als andere Gefängnisse: Aachen, Rheinbach, Geldern, Wuppertal-Ronsdorf, Castrop-Rauxel, Hamm, Bielefeld-Brackwede, Köln.
In der JVA Bochum sind (Stand Dezember 2023) 611 Männer eingesperrt, 96 von ihnen sitzen in U-Haft. 30 Männer verbüßen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der Anteil der Gefangenen aus anderen Nationen liegt insgesamt bei 41,1 Prozent.
Gefunden wurde an diesem Freitagmorgen weder Drogen noch Handys. Trotzdem hatte diese Suchaktion einen Nutzen: Die 24 Gefangenen werden daran erinnert, besser nichts Verbotenes im Haftraum zu bunkern. Denn jeder Fund zieht ein Strafverfahren nach sich und oft auch disziplinarische Maßnahmen wie Freistellung von der Arbeit und vorübergehende Abkoppelung von anderen Häftlingen.
Häftlinge sind bei Hunde-Kontrollen nicht dabei
Erfahren haben die Gefangenen von der Zellenkontrolle erst, als die Hunde wieder weg waren. Als es los ging, waren sie längst wie an jedem Werktag in die Werkstätten der JVA ausgerückt oder woanders untergebracht worden. Denn: Hätten sie die Hunde rechtzeitig bemerkt, hätten sie etwaige Drogen schnell im Klo runterspülen können.