Bochum-Wattenscheid. Tote Hose am Bahnhof Wattenscheid. Manch Fahrgast ist von der Sperrung der Bahnstrecke überrascht. Aber nicht nur ÖPNV-Nutzer haben Probleme.
Die junge Frau hat‘s eilig, stürmt in die Bahnhofshalle. Kurz darauf der Schreck, als sie zur Anzeige schaut: In Wattenscheid hält kein Zug. „Sie wollen mich doch veräppeln“, sagt Miriam, als sie vom WAZ-Reporter bestätigt bekommt, dass am Bahnhof nichts geht. Von der siebenwöchigen Sperrung der Bahnstrecke zwischen Bochum und Essen, durch die Wattenscheid komplett vom Bahnnetz abgeschnitten ist, habe sie nichts mitbekommen, sagt die 30-Jährige. Sie müsse um 12 Uhr auf der Arbeit in Dortmund sein. Jetzt ist es 11.15 Uhr. Der nächste Bus als Bahnersatz fährt erst um 11.45 Uhr. Das wird sie nicht schaffen...
Kein Zug hält in Wattenscheid: „Sie veräppeln mich doch“
Zeitprobleme haben auch zwei Schülerinnen des Klaus-Steilmann-Berufskollegs ganz in der Nähe des Bahnhofs. Sie stehen an der Bushaltestelle unter der A40-Autobahn und warten auf den Ersatzbus. „Das ist ganz großer Mist“, sagen sie. Eine der beiden kommt aus Wetter. „Ich musste heute viel früher aufstehen, um rechtzeitig mit dem Bus hier zu sein.“ Doch die Verbindung sei so ungünstig, dass sie schließlich noch 40 Minuten bis Unterrichtsbeginn in der Kälte ausharren musste.
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Ihre Mitschülerin aus Hattingen kam direkt am ersten Tag nach den Ferien zu spät. „Immerhin zeigen die Lehrer Verständnis und ließen uns jetzt auch etwas eher gehen, damit wir den Bus kriegen. Wenn er denn kommt, das ist ja immer Glückssache.“ Sie würden jetzt schon eine ganze Weile warten, sagen die zwei – und frieren.
Im Bahnhof herrscht am Mittag tote Hose. Seit Freitagabend ist die Bahnstrecke zwischen Bochum und Essen gesperrt. Bis Ende Februar erneuert die Bahn Gleise und Oberleitungen. Fernverkehr und Regionalzüge werden deshalb über Gelsenkirchen umgeleitet, auf einigen Linien ist ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet.
Die meisten Nutzer des ÖPNV waren offenbar darauf eingestellt, dass sie hier in Wattenscheid vergeblich auf einen Zug warten würden. Nur vereinzelt kommen Fahrgäste und gucken verdutzt. Wie Ilayda Ünal. Sie wisse nichts von einer gesperrten Bahnstrecke, sagt die 18-Jährige. Sie will nach Bochum, was kein großes Problem sein sollte. Gegenüber fährt ja ein Bus.
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„Echt jetzt? Es fährt keine Bahn?“ Auch Heba Ahmed zeigt sich überrascht. Die Lehrerin der Liselotte-Rauner-Schule will nach Essen. Ein Auto habe sie nicht, sagt die 32-Jährige, sie sei auf die Bahn angewiesen. Für die nächsten Wochen wird es zwangsläufig der Bus sein.
Oder aber sie nimmt die S1. Die S-Bahn hält – aktuell mit Ausnahme der Wochenenden – zumindest am Bahnhof in Höntrop. Und dieser liegt gar nicht so weit weg. Die S-Bahn hat auch ein Schüler des Louis-Baare-Berufskollegs am Morgen genutzt. „Die ist verlässlicher“, sagt er, ohne seinen Namen verraten zu wollen. Jetzt, am Mittag, will er mit dem Regionalexpress zurück nach Bochum. Eigentlich... „Nehme ich halt den Bus, kein Problem.“
So pragmatisch sieht es auch Michael Gätjens. „Doch, ich hatte davon gehört, dass die Bahn die Strecke zwischen Bochum und Essen für sieben Wochen sperrt“, sagt er. „Ich wusste nur nicht mehr so genau, wann.“ Auch er nimmt es gelassen – und begibt sich zur Bushaltestelle.
Derweil sitzt Haji Mihama ganz allein in seinem Kiosk direkt neben dem Bahnhofseingang. „Keine Leute“, berichtet er von seinem Vormittag. „Es kommt vielleicht einer pro Stunde, der dann Zigaretten oder Kaffee möchte.“ Der 51-Jährige und sein Sohn, dem der Kiosk gehört, richten sich auf eine lange Durststrecke ein, wollen aber durchhalten. „Sonst gibt es unter der Woche und vor allem an den Wochenenden ja auch mal schlechte Tage.“ Die tägliche Lieferung vom Bäcker habe man zunächst aber mal abbestellt.
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Sieben Wochen ohne Bahn: „Das ist schlimm“, sagt Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (SPD). „Gerade auch im Hinblick auf die Berufsschulen hier in der Nachbarschaft. Da kommen ja viele mit der Bahn.“ Aber man müsse da jetzt durch. „Und es ist besser, wenn die Bahn über sieben Wochen richtig anpackt, als alles nur scheibchenweise zu reparieren.“
Nicht optimal findet Herzog, wie über die Zugausfälle und die Ersatzbusse im Bahnhof informiert wird. „Auf der Anzeige in der Halle ist nur oben links klein zu lesen, dass es sich um einen Bus handelt.“ Und die Angaben, warum keine Bahnen in Wattenscheid halten, müsse man auch erst suchen.
Wattenscheid sieht er insgesamt aber nicht vom ÖPNV-Netz abgeschnitten. „Die Verbindung nach Höntrop, wo die S-Bahn zumindest wochentags fährt, ist ja gut“, findet Herzog. Und auch von der Stadtmitte komme man „mit der Straßenbahn 302 gut weg“. Auch er selbst nutze immer wieder die Bahn. „Ich wohne ja nur knapp einen Kilometer entfernt vom Bahnhof. Schneller als mit dem Regionalexpress kommt man nicht nach Bochum.“ Noch lieber nutze er jedoch ein anderes Verkehrsmittel: das Fahrrad.