Bochum. Fasste die Mafia Fuß in Bochum? – Wenn heute der Landtag auf Antrag der SPD-Fraktion über die Aktivitäten der Mafia in NRW debattiert, wird ein Bochumer Kriminalist ganz gewiss seine geschulten Ohren spitzen.

Schließlich war es Ex-Polizeipräsident Thomas Wenner (62), der Oktober 2009 seinen Posten vorzeitig räumen musste, nachdem SPD-Freunde aus Düsseldorf ihn gebeten hatten, für sie Mafia-Material zu begutachten, er das Dossier einem Experten seiner Behörde gab und dieser Vorgang Innenminister Ingo Wolf übel aufstieß.

Es gehört zum Material, das SPD-Innenexperte Karsten Rudolph heute dem Landtag vorlegt. Und darin steht auch die Behauptung, Bochum zähle zu den 13 Stützpunkten des mafiösen 'Ndrangethta-Clans in NRW. Das zumindest stellt Francesco Forgione in einem Buch fest. Und weil der immerhin Präsident der italienischen Anti-Mafia-Kommission war, nimmt Rudolph den Mann sehr ernst: „Sein Wort hat Gewicht.”

Bochumer Historiker: Keine Angst vor der Mafia

Auf die Frage, ob er keine Angst habe, die mutmaßlichen Mafia-Machenschaften an die große Glocke zu hängen, entgegnet Rudolph: „Nein, habe ich nicht. Das müsste man eher in Italien.” Aber der SPD-Landtagsabgeordnete, der an der Ruhr-Universität studierte und promovierte, lebt ausgerechnet mitten in Bochum, dem angeblich frisch georteten Mafia-Stützpunkt.

Der Bochumer Historiker hat sich eingehend mit der organisierten Kriminalität beschäftigt und dabei Laura Garavani kennengelernt. Die italienische Politologin, auch Mitglied im Anti-Mafia-Ausschuss des italienischen Parlaments, war im späten Frühjahr 2009 in Bochum. Da warnte sie bei einem Europa-Wahlkampfauftritt an der Hochschule Bochum vor anschwellender Mafia-Kriminalität in NRW. 2007 waren in Duisburg sechs Italiener vor dem italienischen Lokal „Da Bruno” erschossen worden.

Warnung vor Generalverdacht gegen Italiener

SPD-Innenexperte Rudolph stemmt zwar die Warnung von Laura Garavani, die NRW-Landesregierung unterschätze die Mafia, in die Landespolitik, warnt aber vor einem „Generalverdacht” gegenüber italienischen Lokalbetreibern.

Der Mafia in NRW gehe es weniger um Schutzgelder („zu arbeitsaufwändig”) als vielmehr um Rauschgift: „ Kokain ist ihr Hauptgeschäft.”

Auf Anfrage der WAZ nach mafiösem Treiben in Bochum hält es der amtierende Polizeichef, Leitender Regierungsdirektor Wolfgang Sprogies, eher mit dem Prinzip der Omerta, dem Schweigen über Interna. Man werde sich nicht an Spekulationen beteiligen, lässt er wissen, das Schicksal von Wenner vor Augen.

Auch Oberstaatsanwalt Dr. Christian Kuhnert, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität, steuert nichts Aktuelles bei: „Im 2004 hatten wir ein großes Kokainverfahren mit italienischem Hintergrund. Aber im Moment ist bei uns mit Italienern wenig am Start.”