Menden. Auf Rundreise zu Kundgebungen vor vier Märkten machten sich gut 50 Streikende der Kaufland-Gruppe. Von Kunden gab’s nur Zuspruch.

„Ohne uns kein Geschäft!“ Das skandieren mehr als 50 Beschäftigte aus gleich vier Betrieben der Kaufland-Gruppe am Donnerstagmorgen. Gemeinsam demonstrieren sie für bessere Löhne und Gehälter – nacheinander vor jedem der vier Häuser und damit auch am Kaufland Menden. Laut Verdi-Gewerkschaftssekretärin Monika Grothe will die Arbeitnehmerseite so den Druck auf die Arbeitgeber bei den laufenden Tarifverhandlungen verstärken. Dabei kämpft Verdi laut Grothe „für existenzsichernde Einkommen im Handel, um die eigenen Familien und sich ernähren zu können und nicht in der Altersarmut zu enden“. Geringe Löhne bedeuten auch geringe Renten, betont die Gewerkschafterin. Doch bislang hätten die Arbeitgeber in den Verhandlungen „lediglich Reallohnverluste angeboten“.

Verdi: 53 Cent pro Stunde kein Angebot – „Ihr seid ihnen zwei Pflandflaschen wert!“

Umgerechnet 53 Cent pro Stunde solle es mehr geben: „Das sind gerade einmal zwei Pfandflaschen! Mehr seid ihr ihnen nicht wert!“, ruft die Gewerkschaftssekretärin ins Mikrofon. Mit Trillerpfeifen und Rasseln unterstützen die Streikenden ihre Rednerin. „Gestern noch systemrelevant – und heute?“, fragt Grothe und erinnert an einen Satz von Bundeskanzlerin Merkel in der Coronazeit über Verkäuferinnen und Verkäufer: „Ihr haltet den Laden am Laufen!“

Gewerkschafterin erbost: „Arbeitgeber nehmen Nöte der Beschäftigten nicht ernst“

Beteiligt an der kurzen Kundgebung vor dem Kaufland in Bösperde sind auch Beschäftigte von Kaufland Hagen-Hohenlimburg, dem Marktkauf Hagen-Bathey sowie dem Handelshof in Hagen. „Obwohl die Tarifverträge bereits Ende April ausgelaufen sind, haben die Arbeitgeber bis heute keine Angebote vorgelegt, die den dramatischen Preissteigerungen etwas entgegensetzen. Die Arbeitgeber haben daher die Chance verpasst, den Beschäftigten zu zeigen, dass sie ihre Nöte ernst nehmen. Deshalb bekommen sie jetzt die Antwort aus den Betrieben“, hatte kürzlich Silke Zimmer angekündigt, Verdi-Verhandlungsführerin für den Einzelhandel und den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen.

Mendener Betriebsrätinnen: Bei einigen geht es um Mieten, bei anderen um Urlaub

Die Beschäftigten in Menden fordern dabei eine „solide Entgelterhöhung, um ihre Existenzen zu sichern“. Betriebsvorsitzende Sandra Lutter und Betriebsrätin Kristina von Germeten beschreiben die Situation mancher Kolleginnen und Kollegen: „Das Geld ist viel eher zu Ende als der Monat.“ Einige würden die Miete nicht mehr pünktlich zahlen können, andere auf Urlaube verzichten, um über die Runden zu kommen. Aber es gehe noch viel weiter. In der Verhandlungskommission von Verdi, der Sandra Lutter angehört, sei das Thema bereits mehrfach heiß diskutiert worden.

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Mendenerin in der Verdi-Verhandlungskommission nennt krasse Beispiele

Laut Sandra Lutter lassen sich manche Arbeitnehmer in der letzten Woche des Monats krankschreiben, weil sie sich den Sprit für die Fahrt zur Arbeit nicht mehr leisten könnten. Das sei zwar nicht im Mendener Haus mit seinen gut 100 Beschäftigten vorgekommen, aber dennoch eine erschreckende Geschichte. 60 bis 80 Prozent der Belegschaft in Menden arbeite in Teilzeit, viele alleinerziehende Mütter. „Die wären von weiteren Reallohn-Verlusten besonders betroffen.“

Schon gezahlte Ausgleichsprämien für Inflation sollen abgezogen werden

Nach intensiven Verhandlungen hätten die Arbeitgeber im Einzelhandel eine Unterbrechung der vierten Verhandlungsrunde bis zum 13. Juli erbeten, diesen Termin dann im Nachgang „urlaubsbedingt“ auf den 7. August verschoben, informiert Monika Grothe am Mikrofon. Laut der Verdi-Sekretärin liegt das Arbeitgeber-Angebot im Einzel-, Groß und Außenhandel für 2023 aktuell zwischen 5,1 und 5,3 Prozent mehr. Teils ergänzt worden seien die Angebote um Inflationsausgleichsprämien von jeweils 700 Euro pro Jahr im Groß- und Außenhandel und 450 Euro im Einzelhandel. Bereits gezahlte Prämien wollten die Arbeitgeber aber auf dieses Angebot anrechnen. Für das zweite Jahr böten die Arbeitgeber Erhöhungen zwischen 2,9 und 3,1 Prozent. „Alle Angebote hatten eine Laufzeit von 24 Monaten.“

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Gewerkschafts-Forderung liegt bei 2,50 Euro pro Stunde mehr

Verdi fordert dagegen in der Tarifrunde 2023 im nordrhein-westfälischen Einzelhandel 2,50 Euro mehr pro Stunde. Die Ausbildungsvergütungen sollen um 250 Euro angehoben werden. Die Laufzeit des Tarifvertrages soll nur zwölf statt 24 Monate betragen. Darüber hinaus fordert die Gewerkschaft einen Mindest-Stundenlohn von 13,50 Euro pro Stunde. Im Groß- und Außenhandel NRW fordert Verdi eine Erhöhung um 13 Prozent, mindestens aber um 400 Euro. Die Ausbildungsvergütungen sollen um 250 Euro angehoben werden. Die Laufzeit des Tarifvertrages soll auch hier zwölf Monate betragen.

Zuspruch von mehreren Mendener Kaufland-Kunden: „Gut gemacht, weiter so!“

Das Geld müsste laut Grothe eigentlich da sein. „Gerade die Großen im Einzelhandel haben zuletzt Milliarden an Gewinnen gemacht. Die sind durch die Decke gegangen. Aber wo kommt das Geld dann an? Bei den Beschäftigten jedenfalls nicht.“ Zuspruch erhalten die Streikenden auch von mehreren Mendener Kunden. Eine Frau schiebt ihren Einkaufswagen aus dem Haupteingang, hält den Daumen hoch und ruft den Streikenden zu: „Gut gemacht, weiter so!“ Auch im Pflegebereich finde dieser Verdi-Streik großen Anklang, berichtet Grothe weiter. „Auch die sind systemrelevant, aber Beifall allein reicht nicht.“

Ob dies die letzte Kundgebung imseit Monaten andauernden Tarifkampf war, wird sich zeigen. Monika Grothe jedenfalls zitiert dazu den rosaroten Panther: „Heute ist nicht alle Tage! Wir kommen wieder, keine Frage!“