Bochum. Ärzten bei einer OP über die Schulter schauen – das ist nicht jedermanns Sache, aber hochinteressant. Vier WAZ-Leser können davon berichten.
Vom kleinen Eingriff am Unterschenkel über den Leistenbruch bis zur Zehn-Stunden-OP an der Halswirbelsäule – vier Leser der WAZ haben einen exklusiven Einblick in Hightech-Medizin made in Bochum erhalten. Bei einem Besuch im ultramodernen Zentral-OP des St.-Josef-Klinikums verfolgten sie nicht nur live mehrere OP-Teams bei der Arbeit, sondern durften auch selbst Hand anlegen.
75 Jahre WAZ: Leser besuchen ultramodernen Zentral-OP in Bochum
So viel vorweg: Niemand ist bei der Aktion zum 75. Geburtstag der WAZ zu Schaden gekommen, der Kreislauf aller Leserinnen und Leser blieb durchgehend stabil und ihre Aktivitäten beschränkten sich auf Trockenübungen. Diese aber immerhin waren besondere. Ausgiebig durften die Besucher den OP-Roboter Hugo in Augenschein nehmen. Dank noch fehlender Zertifizierungen für den deutschen Markt darf der „Kollege“ den Chirurgen derzeit nicht wie erhofft assistieren.
„Wenn ich hier mal selbst auf dem Tisch liege, kann ich so richtig klugscheißen“, fasst Leser Michael Djurkic sein Erlebnis am frühen Morgen zusammen. Um Viertel vor Acht hatte das Abenteuer begonnen – mit einem Blick in den 16 Betten großen OP-Vorbereitungs- und Aufwachraum. Erste Frage von Djurkic (70), Petra Sareyka (71), Erika Wetzig (73) und Franz Theodor August (65): „Wie stellen Sie hier bloß sicher, dass niemand verwechselt wird?“
Als der Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie, Prof. Waldemar Uhl, wenig später die Gruppe begrüßt, sind diese Ängste längst ausgeräumt. In den meisten der acht Säle herrscht reger Betrieb. Ein futuristisches Bild bietet sich den Lesern. Hinter den Glastüren mit Bochumer Motiven sind stahlblaue Glaswände, OP-Tische, meist mehrere Monitore sowie Ärzte und OP-Schwestern und -Pfleger bei der Arbeit zu sehen.
Mehr als 20.000 Operationen pro Jahr
Ein Bildschirm zeigt, wie sich die Zange eines Greifarms an der Leiste eines Patienten zu schaffen macht – nicht jedermanns Sache, so ein Blick in das Innere des Körpers; ein Bruch ist zu beheben, mit Hilfe eines Netzes soll die Leiste stabilisiert werden. „Ist der neue Trakt eine Erleichterung für ihre Arbeit?“, fragt Erika Wetzig. „Ja, klar“, sagt Prof. Uhl. Das ist ein Gigantensprung. Wir sind hier voll digitalisiert. Wenn ich will, kann ich die Operationen am Schreibtisch im Büro verfolgen.“
33 Millionen Euro hat das Katholische Klinikum in den Zentral-OP des St.-Josef an der Gudrunstraße investiert. Es war die bislang größte Investition des KKB. Mehr als 20.000 Operationen finden jährlich im „Haus S“ statt. Geplante und unerwartete: „Wir haben einen Notfall, eine Nachblutung im Kopf“, schallt es über den Flur.
Wer nun Hektik erwartet, wird enttäuscht. „Training ist alles“, sagt Prof. Uhl. „Im OP ist der Patient das Wichtigste, drumherum kann dann die Welt zerfallen. Voll konzentrieren und zügig arbeiten, lautet die Devise.“ „Notfälle sind unser täglich Brot“, ergänzt OP-Schwester Daniela Salber. Zusammen mit ihrer Kollegin Ulrike Butz begleitet sie die Gruppe.
Roboter „Hugo“ erleichtert Chirurgen die Arbeit
Im Saal nebenan ist um 8.27 Uhr der erste Eingriff bereits vorbei. Oberarzt Philipp Höhn näht die Wunde am Unterschenkel seiner Patientin, die an Polyneuropathie leidet. „Wir haben ein Stück Nerv entnommen. Das wird der Patientin zwar ein taubes Gefühl zwischen dem 1. und 2. Zeh bescheren, wir hoffen aber, dass die Neurologen so neue Erkenntnisse gewinnen und ihr besser helfen können.“
Den Operateuren helfen soll auch der Roboter „Hugo“. 20 Eingriffe seien bereits erfolgreich verlaufen, sagt Uhl und erläutert die Vorteile. Der Operierende habe jederzeit freien Blick auf das OP-Team und den Patienten, vier frei bewegliche Greifarme ermöglichten Eingriffe in den gesamten Bauchraum. Hugo sei feinfühliger („Sieben Feinheitsgrade!“) als jede menschliche Hand – und einen Tremor (Zittern) kenne die Maschine nicht.
Prof. Orlin Belyaev, der Leitende Oberarzt, arbeitet eng mit der Herstellerfirma zusammen. Er ist als Proctor an der Entwicklung des 1,5 Millionen Euro teuren Roboters beteiligt. Belyaev begleitet noch nicht so geübte Kollegen bei der OP und schult künftig sogar Kollegen in Spanien, möglicherweise auch in Italien.
Krankenhaus-Chef nimmt sich Zeit für Leserinnen und Leser
Derweil übt Leserin Petra Sareyka mit den Greifarmen. Eine Computersimulation macht es möglich. „Mindestens ein halbes Jahr müssen Kollegen trainieren, ehe sie operieren können – auch an tierischen und menschlichen Kadavern“, erläutert Belyaev. „Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz und CT-Bildern“, so Uhl, „werden Ärzte in naher Zukunft auch zu Hause sehr realitätsnah üben können.“
„Wenn ich daran denke, wie ich als Sechsjähriger im ,Elli’ den Blinddarm herausbekommen habe, dann ist das eine ganz neue Welt hier“, schwärmt Leser August am Ende des Besuches im Zentral-OP. Im Gespräch mit dem ärztlichen Geschäftsführer Prof. Christoph Hanefeld vertieft die WAZ-Gruppe anschließend bei einem Imbiss ihre Kenntnisse über das KKB. Auch Jürgen Frech, Leiter der Unternehmenskommunikation, beantwortet Fragen und zeigt den neuen KKB-Film, der anlässlich des 175. Geburtstages des Elisabeth-Krankenhauses produziert wurde.
Weitere Fotos zum Besuch im OP finden Sie hier.
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