Bochum. Bochum verfolgt beim Ausbau seines Glasfasernetzes ehrgeizige Ziele. Immer wieder treten Störungen auf. Die sorgen für Ärger und Verunsicherung.
50 Kilometer Glasfaserleitungen wurden seit Jahresbeginn in Bochum verlegt, 150 Kilometer sollen es bis Ende des Jahres sein. Es ist der Anfang einer Ausbauoffensive, an deren Ende 2032 ein flächendeckendes Glasfasernetz über das gesamte Stadtgebiet geknüpft sein soll. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) spricht von einem „Digitalisierungsschub“. Der allerdings hat zahlreiche Tücken, wie die vergangenen Wochen gezeigt haben.
Glasfaserausbau Bochum: Bautrupp steht plötzlich vor der Tür
So etwa am Heimatweg in Stiepel. Dort stand am Montag vor einer Woche plötzlich ein Bautrupp auf der Straße und brachte die Anwohner in Wallung. Es gab keine Ankündigung der Bauarbeiten, keine Information für die Bewohner, sondern vollendete Tatsachen. „Der Vorarbeiter schellte an Haustüren, drei parkende Autos mussten weggefahren werden und angeblich würde alles nur zwei Stunden dauern“, erinnert sich Jürgen Uhlig, einer der Anwohner.
Aus den zwei Stunden seien zweieinhalb Tage geworden und am ersten Tag hätten die Anwohner zu ihren blockierten Hauseingängen klettern müssen, außerdem seien für einige Stunden Telefon und Internet ausgefallen. Der Baggerfahrer hatte eine Leitung gekappt. „Ich hatte ihn extra noch auf die Leitungen hingewiesen, auch auf die Gasleitung. Nach der Explosion vor einigen Wochen in Linden sind wir extrem sensibilisiert.“
Defekte Gasleitung hat Hausexplosion mit einem Todesfall ausgelöst
Zurecht. An der Keilstraße in Linden war am späten Abend des 10. Januar nach einer Gasexplosion ein Wohnhaus komplett zusammengefallen, eine Frau starb in den Trümmern. Eine Essener Firma war dort im Auftrag von Vodafone mit der Verlegung von Kabelkanälen für Glasfaserkabel beschäftigt. Beim Bohren war die Gasleitung beschädigt worden. Anfang Juni ist an der Steilstaße in Stiepel Gas ausgetreten, nachdem bei Baggerarbeiten im Zuge des Glasfaserausbaus die Gasleitungen angebohrt worden war.
Kleinere Beschädigungen an Hausanschlussleitungen, in der Regel Telekommunikationsleitungen, kommen im Schnitt einmal pro Woche vor, heißt es bei der Glasfaser Ruhr GmbH. Das Tochterunternehmen der Stadtwerke Bochum hat die beiden Bochumer Firmen HTK und STG Braunsberg mit dem Glasfaserausbau beauftragt. Diese wiederum beschäftigen derzeit 14 Subunternehmen mit den Arbeiten vor Ort.
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Stadt Bochum hat auf das Unglück in Linden reagiert
„Unsere Generalunternehmer melden diese Schäden direkt an den zuständigen Telekommunikationsanbieter. Der beauftragt dann seinen Entstörungsdienst. Im Normalfall sind diese Schäden innerhalb weniger Stunden behoben“, so Glasfaser-Ruhr-Sprecher Bernd Lehwald. „Ein einziges Mal ist es bei unseren Baumaßnahmen zur minimalen Beschädigung einer Gas-Hausanschluss-Leitung gekommen.“ Das sei der Fall in der Steilstraße in Stiepel gewesen, wo das umsichtige und schnelle Handeln des Bautrupps später vom Feuerwehrchef lobend erwähnt worden sei.
Die Stadt Bochum hat nach eigenen Angaben in Folge des schweren Unfalls mit Todesfolge „reagiert und ergänzende Hinweis in die städtischen Aufbruchgenehmigungen aufgenommen“, so die Verwaltung auf Anfrage dieser Redaktion. „Die Verantwortung für die störungsfreie Abwicklung der Baumaßnahmen liegt jedoch stets bei den ausführenden Firmen.“ Zeitnah seien nun „weitere Maßnahmen zur Sensibilisierung der bauausführenden Unternehmen geplant“, heißt es.
Störungen durch unzureichend dokumentierte Leitungen
Beauftragt hat die Stadt außerdem das Essener Ingenieurbüro Ifta damit, die technische Qualität der Straßen- bzw. Gehwegaufbrüche und deren Wiederherstellung zu überprüfen. „Das Büro hat im vergangenen Jahr zahlreiche technische Mängel festgestellt, die inzwischen jedoch von den mit dem Glasfaserausbau beauftragten Firmen weitgehend abgestellt wurden“, sagt Stadtsprecherin Charlotte Meitler.
Sie bestätigt außerdem Hinweise, die diese Redaktion schon mehrfach im Zusammenhang mit dem Glasfaserausbau erhalten hat. „Im Bauablauf ergeben sich auch immer Störungen durch vorgefundene und teilweisend unzureichend dokumentierte Leitungen. Insbesondere ältere Leitungen unterschiedlicher Medien (Strom, Gas, Wasser, Telekommunikation etc.) sind oft gar nicht oder nur unzureichend dokumentiert.“
Telekommunikationsleitungen weichen von der Lage in Plänen ab
Ein Eindruck, den Glasfaser Ruhr in Teilen bestätigt. Die Versorgungsleitungen anderer Anbieter wie Gas, Strom, Wasser, Abwasser oder Fernwärme seien in Bochum umfassend dokumentiert, heißt es. „Größere Abweichungen sind unseren Generalunternehmern bisher nur bei Telekommunikationsleitungen aufgefallen.“
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Sowohl am Heimatweg als auch vor einigen Wochen bei Arbeiten an der Neidenburger Straße in Riemke hatte es geheißen, Leitungen würden nicht an den „richtigen“ Stellen im Erdreich liegen. Das könnte also ein Grund für Schäden sein, die beim Bohren und/oder Baggern entstehen. Allerdings seien die Firmen gehalten, „die Angaben in den Leitungsplänen vor Ort bedarfsgerecht durch Suchschachtungen zu überprüfen“, so die Stadtsprecherin.
Bei der Telekom heißt es dazu, das mehrere tausend Kilometer lange Bestandsnetz der Telekom in Bochum liege gemäß den Vorgaben der Stadt mindestens 60 Zentimeter tief in der Erde, die Lage der Kabel sei in den Plänen verzeichnet und von Tiefbauunternehmen jederzeit abrufbar. „Aufgrund von Baumaßnahmen anderer Gewerke können sich an manchen Stellen im Laufe der Zeit Abweichungen ergeben, von denen wir keine Kenntnis haben“, so eine Telekomsprecherin.
Mehrfach wurden Anwohner schon von Bauarbeiten überrascht
Dass Bauarbeiten geradezu überfallartig beginnen, könne vorgekommen sein, räumt derweil Glasfaser Ruhr ein. „In Einzelfällen haben auch wir als Auftraggeber davon mitbekommen, dass Anwohner von Baumaßnahmen überrascht worden sind“, so Sprecher Lehwald. „Das war wohl auch im Heimatweg in Stiepel so.“ Grundsätzlich beginne keiner der Bautrupps eine Arbeit ohne vorherige Aufbruchsgenehmigung durch die Stadt bzw. den Grundstückseigentümer. Darüber hinaus werden alle Eigentümer mehrfach über den Ausbau informiert.
Ein Einzelfall ist der Heimatweg aber nicht. Schon im Februar hatten sich Anwohner gewundert, als Bauarbeiter für Glasfaserarbeiten von jetzt auf gleich vor der Tür standen.
Kritik an mangelnder Abstimmung von Bauarbeiten
Und auch eine mangelnde Koordination von Bauarbeiten ist immer wieder Anlass für Kritik von Bürgern. So etwa in Linden. Dort wurde die obere Spritzenstraße, so der Hinweis eines Anwohners, über einen langen Zeitraum aufwendig saniert – inklusive Tiefbau für Ver- und Entsorgungsleitungen der Stadtwerke. Kaum war die Straße gepflastert, werde sie für den Glasfaserausbau wieder aufgerissen. „Hätte das nicht besser koordiniert werden müssen?“, so die Frage in Richtung Stadt. Gerade weil die Arbeiten so nah beieinander lagen.
Die Abstimmung mit allen Beteiligten, die Leitungen im Untergrund haben, sei üblich, heißt es dazu bei der Stadt. Es könne aber vorkommen, dass insbesondere bei der Glasfaserverlegung die Firmen sehr kurzfristig planen und eine Abstimmung nicht immer möglich ist. Wir stehen aber in permanentem Austausch und versuchen größtmögliche Schnittmengen zu finden.“ Nach dem Telekommunikationsgesetz lasse sich die Verlegung von Telekommunikationsleitungen aber nicht verbieten, „auch wenn es sich um eine gerade erst fertiggestellte Oberfläche handelt“.