Bochum. Seit 2018 ist die Alte Wittener Straße in Bochum saniert. Ausgerechnet jetzt, kurz vorm Fest, sollen Eigentümer die Straßenbaubeiträge bezahlen.
Anfang November lag der Brief von der Stadt Bochum im Postkasten. 3180,33 Euro sollte Peter B. (Name ist der Redaktion bekannt) bis zum 6. Dezember überweisen. Es ist der Anteil des Hauseigentümers an den Kosten für den Umbau und die Sanierung der Alten Wittener Straße in Laer.
20 Anlieger müssen insgesamt 340.000 Euro bezahlen
„Ich habe erst einmal Widerspruch eingelegt“, sagt der Bochumer. Er zweifelt nicht nur die Notwendigkeit der umfangreichen Bauarbeiten an, sondern findet es auch höchst ärgerlich, dass die Stadt ihren Bürgern kurz vor Weihnachten solch hohe Rechnungen präsentiert. „Unverschämt“ sei das, zumal die Stadt bei mehr als 25 Jahren alten Straßen und Kanälen, die älter als 80 Jahre seien, ohnehin zur Instandsetzung verpflichtet sei.
Tatsächlich ist Peter B. nicht der einzige Anlieger der Alten Wittener Straße, dem die Stadtverwaltung eine Gebührenrechnung geschickt hat. Von den beitragsfähigen Kosten der Sanierung in Höhe von 999.471,54 Euro hat sie nach eigenen Angaben 340.392,88 Euro auf die Anlieger umgelegt. An 20 Anlieger sind insgesamt 40 Beitragsbescheide ergangen. „Bisher sind vier Widersprüche bei uns eingegangen“, so Stadtsprecher Thomas Sprenger. Die Frist dafür sei am Dienstag (6.) abgelaufen.
Anwohner: Sanierung bringt eher Nachteile mit sich
Beendet sind die Bauarbeiten bereits seit vier Jahren. Zwischen 2016 und 2018 wurde die Straße modernisiert. „Und ausgerechnet jetzt, kurz vor Weihnachten, mutet man den Bürgern zu, solch hohe Summen zu bezahlen“, ärgert sich Peter B.
Bürger wehren sich immer wieder gegen Straßenbaubeiträge
Straßenbaubeiträge sorgen immer wieder für Kritik von Bochumerinnen und Bochumern an der Verwaltung. Allein im Jahr 2018 waren 38 Klagen für 18 Straßen gegen die Stadt beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig.
Dabei ging es um jeweils vier- bis fünfstellige Gebührenbeträge. Der Anteil von Bürgerbeiträgen an Straßenbaukosten ist immens. Im Jahr 2019 lag er bei 2,1 Millionen Euro, ein Jahr zuvor sogar bei 2,7 Millionen Euro.
Und damit nicht genug. Von wirtschaftlichen Vorteilen, die die Anwohner durch die Modernisierung der Straße angeblich hätten, könne keine Rede sein. „Genau das Gegenteil ist der Fall“, so der Anwohner. Die neue Straße verleite zum Rasen. Fast-Food-Filiale und Tankstelle sorgten dafür, dass es in einer früher eher ruhigen und beschaulichen Gegend jetzt laut und hektisch zu zugehe. Es sei offenbar vergessen worden, „verkehrsberuhigende Maßnahmen“ einzubauen.
Neue Straße wertet Grundstück auf
Aus Sicht der Stadt sind das zwei verschiedene Paar Schuhe. „Die aufgeführten Nachteile stehen nicht im Zusammenhang mit den an der Straße durchgeführten Maßnahmen, sondern offensichtlich mit den dort angesiedelten Gewerbebetrieben und dem Verhalten der Besucher dieser Betriebe“, so der Stadtsprecher.
Und: Der Straßenausbau könne den Gebrauchswert eines Grundstücks positiv beeinflussen. Das sei ein Vorteil. Im Übrigen sei eine Kommune nicht verpflichtet, „jedem einzelnen Beitragsschuldner vorzurechnen, inwiefern und in welcher Höhe die Baumaßnahme zu einer Wertsteigerung des Grundstücks führt“. Ein in Geld messbarer wirtschaftlicher Sondervorteil sei keine Bedingung der Beitragserhebung.
Stadt erhebt bei Ratenzahlung Zinsen
Peter B. kann sich derweil vorstellen, die Straßenausbaugebühren zwar zu bezahlen – allerdings erst im neuen Jahr und dann auch ohne Zinsen. Das indes wird mit der Stadt so wohl nicht zu machen sein. „Eine Stundung oder Ratenzahlung ist schon möglich“, so Sprenger. „Aber nicht zinslos.“ Der aktuelle Zinssatz betrage 1,12 Prozent.