Bochum-Südwest. Eine Gaststätte im Bochumer Südwesten nimmt es seit Jahrzehnten mit jeder Krise auf. Auch die Zukunft des Familienbetriebes ist gesichert.
Es ist Mittwochabend, kurz nach Fünf. Eine Familie betritt das Restaurant „Im Wunderbau“ im Bochumer Südwesten. „Wir haben einen Tisch reserviert“, sagt die kleine Gruppe und nimmt Platz. „Das ist auch nötig“, bemerkt Wirtin Doris Gremmel kurz darauf zur WAZ – obwohl die Gaststätte noch leer ist. „Das wird sich gleich schnell ändern.“ Denn der Betrieb laufe prima. Da sei ein Anruf im Vorfeld ratsam. Seit 60 Jahren ist der „Wunderbau“ im Familienbesitz und trotzt seither jeder Krise.
Bochum: Wie eine Kult-Gaststätte jede Krise übersteht
Dabei scheint in den Räumen an der Munscheider Straße so ein bisschen die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Tresen ist noch aus den 60er Jahren, als die Eltern von Hermann Gremmel das Restaurant übernommen haben. Die Einrichtung ist eher rustikal, die Gremmels verzichten ganz bewusst auf Chichi und Schnickschnack. Vielleicht ist gerade das ihr Erfolgsrezept: „Viele Gäste bitten sogar darum, dass wir bloß nichts verändern“, sagt der 76-Jährige.
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Die Speisen sind gut-bürgerlich. Spezialität des Hauses sind Schnitzel. „Alle selbst geschnitten, geklopft und paniert“, erzählt Doris Gremmel. Die 75-Jährige steht mit ihrem Mann jeden Tag in der Küche. Nur montags ist Ruhetag. Im Service arbeiten langjährige Angestellte. „Die sind auch schon Jahrzehnte bei uns.“
Der Laden brummt, obwohl bei vielen der Euro nicht mehr so locker sitzt. Selbst das Rauchverbot habe man gut weggesteckt, sagt Hermann Gremmel. Damals sei beim Knobeln und Skatspielen an der Theke ordentlich geraucht worden. Doch mit dem Verbot habe sich die Kundschaft vom Tresen an die Tische gesellt. Aber kaum einer blieb ganz weg. Im Gegenteil. „Wer einmal bei uns war, der kommt in der Regel auch wieder“, sagen die Gremmels selbstbewusst.
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Der Blick in den Terminkalender unterstreicht dies: Die Weihnachtsfeiertage sind schon ausgebucht, der erste bereits seit Anfang Oktober. Der Sonntagmittag? Voll. Die Donnerstage sowieso. „Dann ist Schnitzeltag“, sagt Hermann Gremmel. „9,50 Euro mit allen Beilagen.“
Runder Geburtstag wird mit Preisen wie vor 60 Jahren gefeiert
Komplett belegt sind die Gremmels auch am Dienstag, 29. November. „Da feiern wir unser 60-Jähriges mit Preisen wie vor 60 Jahren. Dann kostet das Pils 50 Cent“, freut sich Doris Gremmel auf einen schönen Abend mit vielen Stammgästen.
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Einer von ihnen ist Gerd Laker, der an diesem Mittwochabend allein, aber nicht einsam am Tresen steht. „Immer in der Kurve, das ist mein Stammplatz“, sagt der 75-Jährige. „Von hier habe ich alles im Blick.“ Dem „Wunderbau“ hält der Eppendorfer seit mehr als 20 Jahren die Treue. Zwei-, dreimal in der Woche komme er vorbei. Mal zum Essen, mal nur auf ein paar Pilsken. „Ich schätze hier die Atmosphäre, alles ist sehr familiär, man kennt sich, hält ein Pläuschchen.“ Jetzt gerade über die Fußball-WM und den verkorksten deutschen Start.
Kult-Gaststätte: Wirtsleute wollen aufhören und übergeben an den Sohn
Inzwischen sitzen schon die nächsten Gäste an den Tischen. Das Restaurant füllt sich. „Und so ist das die ganze Woche“, freuen sich die Gremmels. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme halt, sagen sie hier. Bei ihnen bekomme man noch was auf die Gabel. Man mache wenig Reklame. Es läuft auch so.
Dazu habe auch der Springorum-Radweg beigetragen, der am „Wunderbau“ vorbei führt. Viele Radfahrer und Wanderer machen auf ihrer Tour bei den Gremmels Rast und füllen den Biergarten.
Doch vor allem sei es die jahrzehntelange Verbindung zu den Gästen, die den „Wunderbau“ auch durch schlechte Zeiten trägt. „Meine Eltern hatten 1952 eine Gaststätte an der Hattinger Straße in Linden“, erzählt Herrmann Gremmel, „von 1957 bis 1962 dann an der Hilligenstraße das damalige Vereinslokal des VfL Linden. Von dort ging es dann in den ,Wunderbau’ – und viele Gäste kamen mit, trotz der abgeschiedenen Lage.“
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Die Gremmels lieben und leben die Gastronomie, die sie seit 1976 führen. Das Alter sieht man ihnen nicht an. „Wahrscheinlich hält uns die Arbeit jung“, lacht Doris. Und doch soll bald Schluss sein. „So im nächsten Jahr“, sagt Herrmann. Wohlwissend, dass man wohl nicht so ganz loslassen kann.
Der Nachfolger steht schon mit in der Küche: Sohn Marco (50) wird in die Fußstapfen seiner Eltern treten und den Familienbetrieb fortführen. Er ist bestens vorbereitet, um auch die Krisen in der Zukunft meistern zu können.