Bochum. Rapper Toomaj feuert mit regimekritischen Songs die Proteste im Iran an. Seit seiner Festnahme fürchtet sein Onkel, er könne gefoltert werden.
„Wenn du Gewalt gegen Schwache siehst und die Augen verschließt, nur an deine eigenen Interessen denkst – bist du selbst die Hand des Tyrannen.“ Zitate wie dieses aus dem Lied „Mauseloch“ machen den iranischen Rapper Toomaj/ Tumadsch Salehi (32) zur Symbolfigur der aktuellen jungen Protestbewegung im Iran. Nach seiner Verhaftung fürchtet sein in Bochum lebender Onkel Human Babady um das Leben seines Neffen. „Ich weiß nicht, ob er noch lebt“, sagt Babady, der im Iran unter seinem früheren Namen Eghbal Eghbali bekannt ist.
Rapper im Iran festgenommen: Bochumer Onkel befürchtet, er werde gefoltert
Am 30. Oktober meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) die Festnahme des landesweit bekannten Rappers – unter Berufung auf die staatliche Nachrichtenagentur Tasnim. Ihm werde vorgeworfen, die Proteste gewaltsam anzuzetteln. „Offiziell hieß es, Salehi sei beim Versuch festgenommen worden, außer Landes zu fliehen“, meldet die dpa. Der Bochumer Onkel Salehis widersprach in sozialen Medien dieser Version. Bereits vor einem Jahr beziehungsweise zwei Jahren war der Hiphoper festgenommen worden, auf Kaution aber wieder freigekommen.
Am vergangenen Mittwoch verbreiteten iranische Staatsmedien dann ein Video, dass Salehi zeigen soll – wie der Gefangene mit verbundenen Augen auf dem Boden hockt und sich für seine kritischen Aussagen entschuldigt. „Bereits in den vergangenen Wochen revidierten prominente Kritiker ihre Aussagen nach ihrer Festnahme“, teilt die dpa mit.
Video soll den gefangenen Rapper zeigen
Human Babady ist davon überzeugt, dass sein Neffe Folter ausgesetzt ist. Auch Menschenrechtsorganisationen werfen dem Iran vor, öffentliche Entschuldigungen wie die des Rappers unter Folter zu erzwingen. Ob auf dem veröffentlichten Video tatsächlich der 32-jährige Rapper zu sehen ist, könne weder Babady selbst noch der Rest seiner Familie mit Sicherheit bestätigen.
Laut dem Bochumer, der nach wie vor viele Kontakte im Iran pflegt, ist die gesamte Großfamilie seit jeher politisch und in der Oppositionsbewegung aktiv. Babady ordnet sich heute dem sozialdemokratischen Lager zu, in seiner Jugend habe er dagegen auf linksradikaler Seite die Proteste gegen den persischen Schah vorangetrieben und zu Demonstrationen aufgerufen. „Als ich 18 Jahre alt war, saß ich deshalb drei Jahre lang in Haft, bis zur Revolution 1979“, sagt Babady. Als die islamischen Kräfte dann an die Macht kamen, seien in seinem Umfeld fast alle Freunde aus der linken Opposition hingerichtet worden. Auch seine Schwester sei verhaftet worden, zwei Brüder hätten die Revolution nicht überlebt.
Gegen den Bochumer liegt in seiner Heimat ein Todesurteil vor
„Ich wurde dann unter islamischer Herrschaft noch mal verhaftet, habe aber einen falschen Namen angegeben und konnte aus der Haft fliehen“, so der Bochumer. Obwohl gegen ihn in Abwesenheit ein Todesurteil verhängt wurde, habe er die Opposition im Untergrund noch sieben Jahre weiter unterstützt, dann aber das Land verlassen – und letztlich im Bochumer Süden seine neue Heimat gefunden, wo er seit 25 Jahren einen Copyshop betreibt.
„Seit 44 Jahren regieren die politischen Führer im Iran wie Barbaren.“, so Babady. Davon seien insbesondere Frauen betroffen, die nun ein Kopftuch tragen müssen. „Dabei hatten wir früher eine moderne Gesellschaft.“
Direkten Kontakt mit seinem Neffen habe er nicht. „Toomaj ist sehr intelligent, hat einen scharfen Blick auf die politische Situation im Iran und im Ausland“, sagt Babady sichtlich stolz. Toomaj habe sich seinen Kindheitstraum als Boxer und Rapper erfüllt und verfolge seit fünf Jahren seine Musikkarriere.
„Die iranische Gesellschaft ist bereit für eine Demokratie“
„Mein Neffe ist nicht allein, Millionen Menschen stehen hinter ihm.“ Der Onkel Toomajs ist von der jungen, selbstständigen, medienaffinen Generation beeindruckt. Die jungen Iranerinnen und Iraner zwischen 15 und 30 Jahren seien mit europäischen Werten vertraut und forderten diese nun ein. „Da stehen Mädchen in der ersten Reihe der Proteste. Sie sind teilweise erst 12 oder 13 Jahre alt, sie haben keine Angst vor dem Tod.“ Er sei sich zu 100 Prozent sicher, dass den Demonstrierenden für „Frauen, Leben Freiheit“ der politische Wandel im Iran gelingt. Doch ohne Revolution sei das nicht zu schaffen. „Die iranische Gesellschaft ist bereit für eine Demokratie“, so der Bochumer.
Wie viele Iraner im Ausland nehme auch ihn die aktuelle Situation im Heimatland mit. „Wie könnte ich schlafen? Toomaj wird gefoltert.“ Obwohl er in Deutschland lebt, vermutet Babady, vom iranischen Geheimdienst beobachtet zu werden. Überprüfbar sind seine Aussagen für diese Redaktion nicht. Er habe keine Angst, fühle sich aber auch nicht sicher – schließlich äußert sich Babady vor internationalen Medien und in sozialen Netzwerken zu den Protesten im Iran.
Seit dem Beginn der Proteste 2022 gehen Babady und weitere Bochumer immer samstags von 12 bis 14 Uhr vor dem Bochumer Hauptbahnhof auf die Straße – auch am kommenden Samstag ist eine Kundgebung geplant.