Bochum-Linden. Schlechte Kommunikation mit dem Jugendamt, fehlende Planungssicherheit: Diese Zustände kritisiert Bochums Berufsverband der Kindertagespflege.

Jedes sechste Kind unter drei Jahren in Bochum wird von einer Tagesmutter oder einem Tagesvater betreut. Über den Umgang der Stadt mit dem Bereich der Kindertagespflege ist man beim Bochumer Berufsverband aber verärgert.

Bochumerin arbeitet als Tagesmutter – beklagt den Stand der Kindertagespflege

Das Geschrei im Nachbarzimmer ist groß. Die Augen voller Krokodilstränen rennt Jakob nun um die Ecke und auf Nicole Sobkowiak zu. Auf den Arm nehmen, beruhigen, zuhören. Bespaßen, bekochen, betreuen. Das alles tut die Bochumerin seit zehn Jahren jeden Tag für bis zu fünf Kleinkinder.

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Damals, 2012, habe der Frau aus Linden nicht gefallen, wie ihr kleiner Sohn betreut wurde. So hängte sie ihren Job als Betriebsleiterin in einer Spedition kurzer Hand an den Nagel und wurde Tagesmutter. „Mich interessiert es einfach, zu sehen, wie und warum sich die Kinder wie entwickeln.“ Doch so sehr Sobkowiak ihre Arbeit begeistert, so frustriert ist sie über den Stand der Kindertagespflege in Bochum: „Leider ist es so, dass die Kindertagespflege das Stiefkind der Kinderbetreuung ist, und viele wirklich denken, dass wir Muttis sind, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben.“

Schlechte Kommunikation mit dem Jugendamt, zu geringe Entlohnung, fehlende Planungssicherheit. Der Bochumer Berufsverband der Kindertagespflege habe bereits im Winter eine längere Mängel- beziehungsweise Forderungsliste dem Jugendamt geschickt, er warte aber nach wie vor vergeblich auf einen Gesprächstermin.

Personelle Engpässe im Jugendamt Bochum

„Die regelmäßigen Treffen mit dem Berufsverband der Kindertagespflege in Bochum fielen aufgrund krankheitsbedingter personeller Engpässe leider aus“, antwortete das Jugendamt auf Anfrage der WAZ. „Die angefragten Themen konnten per Mail beantwortet werden.“

Eine der Kernforderungen liegt in einem angemessenen Inflationsausgleich bei den Entgelten für Tagespflegepersonen. Auf Anfrage beruft sich die Stadt auf die durch den Rat entschiedene „Erhöhung der Geldleistungen an Kindertagespflegepersonen zum 01.08.2022“. Allerdings erfolge diese Erhöhung „entsprechend der Fortschreibungsrate der Kinderpauschalen für Kindertageseinrichtungen gemäß § 37 Kinderbildungsgesetz“.

Seit gut zehn Jahren arbeitet Nicole Sobkowiak als Tagesmutter.
Seit gut zehn Jahren arbeitet Nicole Sobkowiak als Tagesmutter. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Laut Iris Hoppe, ebenfalls Mitglied im Verband, liegt der so beschlossene Ausgleich bei lediglich einem Prozent, gefordert hatte sie sechs Prozent. „Miete, Strom und Gas – das ist alles in die Höhe geschossen.“ Aktuell erhalte eine Kindertagesmutter pro Stunde pro Kind 5,30 Euro von der Kommune ausgezahlt. Während im Vergleich zu 2013 die Entgelte der Tagespflegepersonen lediglich um sieben Prozent angestiegen seien, würden die Gehälter der Erzieher 27,58 Prozent höher sein als 2013. Der Verband fordere daher einen regelmäßigen Ausgleich.

Tagesmütter müssen selbst Rücklagen bilden

„Seit 2014 habe ich beispielsweise viermal den Boden im Spielzimmer neu gemacht, weil er abgenutzt wurde“, erklärt Kollegin Nicole Sobkowiak. Kindertagesmütter müssten ihre Steuern selbst zahlen und Rücklagen selbst bilden. Sie sei daher froh, dass ihr Mann ihr bei Umsatzeinbußen zur Seite steht. Alleinerziehende Tagesmütter könnten erst recht nicht auf großem Fuß leben.

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Sobkowiak beklagt auch die mangelnde Planungssicherheit. Aus Angst davor, später keinen Kitaplatz mehr zu bekommen, würden Eltern, sobald ein Platz in Aussicht ist, kurzfristig ihre Kinder aus der Kindertagespflege nehmen. „Für die Kinder sind zwei Umgewöhnungsphasen hintereinander total stressig“, so Sobkowiak.

Bochumer Tagesmutter: „kann individuell auf die Kinder eingehen“

„Wir haben kleine Gruppen von maximal fünf Kindern, in denen wir individuell auf die Kinder eingehen können, beispielsweise auch, wenn das Kind eine spezielle Lernförderung braucht – da habe ich wesentlich mehr Zeit zu“, so die Bochumer Tagesmutter, „Ich kann vor allem den Eltern am Nachmittag auch sagen, wie der Tag für ihr Kind lief.“

Der Verband beklagt auch, dass bislang nur ein Vertretungsstandort in der Innenstadt eingerichtet ist – für den Fall, dass eine Kindertagesmutter ausfällt. In dieser Hinsicht verkündet die Stadt, zusätzlich zu dem Standort in Bochum-Mitte würden zwei weitere Stützpunkte in den Stadtbezirken Ost und Wattenscheid entstehen.