Bochum. Beim Konzert der Bochumer Symphoniker im Musikforum spielt der chinesische Geiger virtuos. Das Orchester spielt für die Menschen in der Ukraine.
Der neue GMD und sein Bochumer Orchester: Das wird immer mehr zu einer hochklassigen Einheit. Bei zwei berauschenden Symphoniekonzerten mit Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Kurt Weill am Wochenende im Musikforum zeigen die Bochumer Symphoniker eine grandiose Leistung.
Nebenbei bereitet es unerhörten Spaß, Tung-Chieh Chuang bei seiner Arbeit an der für ihn noch immer neuen Wirkungsstätte zu beobachten. Gnadenlos detailversessen, dabei doch verspielt und von einer sympathischen Neugier angetrieben, führt er die Musikerinnen und Musiker durch einen Abend, an den sich mancher Konzertbesucher noch lange erinnern wird.
Bochumer Symphoniker spielen berauschende Konzerte
Wie immer gilt in der neuen Reihe „Von Herzen“, die Chuang zu seinem Dienstantritt im vergangenen Herbst angestoßen hat: Los geht’s bereits eine Stunde vor Beginn. Die Einführungen, die der 40-jährige Taiwanese im großen Saal anbietet, sind inzwischen zu einer kleinen Tradition geworden. Ganz zivil in Jeans, Turnschuhen und auf Englisch (seine Assistentin Magdalena Klein übersetzt) erzählt er manch interessante Details über das folgende Konzertprogramm. Dafür braucht kein Kenner zu sein, wer dem folgen möchte.
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Diesmal besonders spannend: Maestro Ning Feng, der erst vor etwa einem Jahr an gleicher Stelle ein virtuoses Paganini-Konzerte spielte, gesellt sich zur munteren Talkrunde dazu und verrät Staunenswertes. Etwa dass er Mendelssohns Konzert für Violine und Orchester bereits im Alter von zehn Jahren zum ersten Mal spielte. Und was ebenfalls nicht jeder weiß: Der chinesische Stargeiger spielt eine Stradivari von 1710, die ihm als Leihgabe aus Hongkong zur Verfügung gestellt wurde.
An seinem Geburtstag zeigt sich Ning Feng in besonders festlicher Stimmung
Was für unglaubliche Töne sich aus dieser edlen Geige hervorzaubern lassen, beweist Ning Feng in der Stunde darauf. Ob es daran liegt, dass er Geburtstag hat? Mit geschlossenen Augen und scheinbar in besonders festlicher Stimmung balanciert er traumschön durch die Untiefen dieses Werkes. Wie seine Geige direkt zu Beginn mit dem melancholischen Hauptthema verschmilzt, wie die Streicher und auch die Bläser darauf reagieren und sich alles zu einem großen, erhabenen Klangkörper aufbaut: Das ist die hohe Schule. Das Publikum dankt mit teils stehenden Ovationen.
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Weill-Symphonie fordert das komplette Orchester
Kurt Weills Symphonie Nr. 2 fordert direkt im Anschluss das komplette Orchester. Wer Weill bislang vornehmlich als Komponist der „Dreigroschenoper“ kannte, staunt nicht schlecht, wie facettenreich sein zweites (und letztes) Werk für Orchester gebaut ist, das 1933 unter dem Eindruck der Machtergreifung der Nazis entstand. Das Stück ist voluminös, die Symphoniker und der immer wieder die Grenzen seines Podiums austestende Chuang dringen zu Substanz und Tiefe vor.
Für die Menschen in der Ukraine spielen die Symphoniker am Ende die zarte Abschiedsserenade von Valentin Silvestrov. „Hoffentlich erinnert sie uns an das Gute im Menschen, etwas dass wir dringend brauchen“, sagt Chuang. Die Stimmung im Saal ist plötzlich so gedrückt, dass eine Weile niemand zu applaudieren wagt. Was Musik alles zu leisten imstande ist.