Bochum. Nach den Polizistenmorden in der Pfalz ist die Polizei in Bochum entsetzt über anonyme Anrufe. Eine junge Beamtin erklärt, was sie nun empfindet.

Die Polizei in Bochum ist entsetzt. Nach den Morden an zwei jungen Beamten in Rheinland-Pfalz sind anonyme Anrufe im Präsidium eingegangen. „Dabei hieß es mit unterdrückter Rufnummer: ,So etwas wie in Kusel müsste auch hier passieren!’“, berichtete der Leitende Polizeidirektor Michael Bauermann (49) am Mittwoch im Gespräch mit der WAZ. Die Drohung werde ernst genommen.

Als Chef von 1000 Beamtinnen und Beamten u.a. im Wachdienst zeigt sich Bauermann „fassungslos“ über die tödlichen Schüsse mutmaßlicher Wilderer im Kreis Kusel. „Fahrzeugkontrollen sind Alltag. Sie finden bei uns täglich hundertfach statt“, weiß der Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz.

Polizei: Eigensicherung ist bei jeder Fahrzeugkontrolle Pflicht

Zum Glück sei in Bochum nie etwas Ernsthaftes passiert. „Es kommt vor, dass Fahrzeugführer gewalttätig werden oder mit ihrem Fahrzeug auf Beamte zusteuern. Zu einem Schusswaffengebrauch ist es bei unseren Verkehrskontrollen aber noch nicht gekommen“, so Bauermann.

Gleichwohl sei Vorsicht das oberste Gebot. Wichtigste Regel: Bei jeder Kontrolle müssen zwei Polizisten am Fahrzeug stehen: ein „einschreitender Beamter“ unmittelbar am Wagen und ein „Sicherungsbeamter“ mit Griff an der Dienstwaffe. „Das verschafft uns im Ernstfall einen Zeitvorteil.“ Das Tragen einer „Außentragehülle“ mit Schussweste am Oberkörper sei für alle Beamten obligatorisch.

Präsidium will Beamte nochmals für Gefahren sensibilisieren

So routiniert sollen die Kontrollen im Tagesgeschäft ablaufen: „Jeder Einsatz bedarf höchster Konzentration und Eigensicherung“, betont Bauermann. „Der Autofahrer befindet sich in der Komfortzone Fahrzeug. Für uns jedoch ist jede Kontrolle ein Hort der Gefahr.“ Dafür werde man die Kolleginnen und Kollegen in den nächsten Tagen nochmals sensibilisieren.

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Bei aller notwendigen Gefahrenabwehr: „Wir dürfen uns nicht vom Bürger entfernen, so wie bei den Verkehrskontrollen in den USA. Ich gehe nicht morgens zum Dienst im Gedanken, es könnte mein Letzter sein“, sagt Sarah Kramer. Auch wenn’s derzeit verdammt schwerfällt: Der Job müsse weitergehen, bekräftigt die 29-jährige Polizeihauptkommissarin, die ihren Dienst in Bochum verrichtet.

Polizei: Hände am Lenkrad lassen

Um brenzlige Situationen bei Fahrzeugkontrollen zu vermeiden, bittet Polizeidirektor Michael Bauermann die Autofahrer um Mithilfe.

„Wichtig ist, dass unsere Beamten von außen immer die Hände sehen. Die sollte man deshalb am besten am Lenkrad lassen.“

Wer in seine Jacke, eine Ablage oder ins Handschuhfach greifen muss, um seine Papiere vorzuzeigen, sollte den Polizeibeamten darauf unbedingt vorher hinweisen.

Sarah Kramer
Sarah Kramer © WAZ Bochum | Sarah Kramer

Junge Gewerkschafterin: „Als Polizei sind wir eine Familie“

Fassungslos verfolgt sie seit Montag die Nachrichten. „Zwei Kollegen wurden hingerichtet, wegen einer vergleichsweise banalen Tat. Das ist nicht zu begreifen“, sagt Sarah Kramer, die sich in der „Jungen Gruppe“ der Gewerkschaft der Polizei (GdP) engagiert. In der Nachwuchsorganisation, die in Bochum zuletzt eine Aktion gegen die zunehmenden ACAB-Schmierereien („All Cops are Bastards“) initiiert hat, ist die Trauer besonders groß: „Die Mordopfer waren 24 und 29 Jahre, also in unserem Alter. Wir alle fühlen mit den Angehörigen. Als Polizei sind wir eine Familie.“

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Die Gewerkschafterin unterstützt die Warnung von Michael Bauermann: „Bei Verkehrskontrollen kann man jederzeit in eine lebensbedrohliche Situation geraten.“ Die Ausrüstung, etwa mit Kameras („Bodycams“), künftig auch mit Distanzelektroimpulsgeräten („Taser“), sei ausreichend. „Aber gegen gezielte Kopfschüsse hat man keine Chance.“

Bochumerin bringt Blumen und Kerze zur Wache

Wie gehen sie und ihre Kollegen mit den furchtbaren Geschehnissen um? „Was viel hilft, ist miteinander zu reden, sich über Gefühle und Ängste auszutauschen“, sagt Sarah Kramer. Ihre Hoffnung sei, dass die Morde in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Gefahren des Polizeiberufes neu wecken. Der Respekt gegenüber den Beamtinnen und Beamten auf der Straße sei zuletzt immer häufiger verloren gegangen. Beschimpfungen und körperliche Angriffe nehmen zu. „Vielleicht wird das jetzt anders. Ich würde es mir wünschen.“

Eine Bochumerin setzt ein Zeichen. „Sie kam Anfang der Woche in die Wache-Mitte, mit einem Blumenstrauß und einer Kerze, um ihre Anteilnahme zu bekunden“, erzählt Polizeidirektor Bauermann. „Das tut gut.“

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