Bochum-Hordel. Gegenüber von Uwe Libudas Haus ist ein Vorgarten einer Mauer gewichen. Ist das mit den strengen Gestaltungsregeln der Dahlhauser Heide vereinbar?
Uwe Libuda kennt sie auswendig: Als Hauseigentümer in der Dahlhauser Heide hat der 65-Jährige das Gestaltungshandbuch und die Satzung für örtliche Bebauung mehr als einmal gelesen. "Ich weiß genau, wie meine Fensterläden gestrichen sein dürfen und wie hoch die Hecke sein muss", sagt Libuda. Es verwundert also nicht, dass ihm direkt auffiel, dass ein neues Baukonstrukt offensichtlich gegen die strengen Vorschriften verstößt.
Denn die Dahlhauser Heide steht unter Schutz: Sie ist eine Arbeitersiedlung in Hordel und wurde einst für die Beschäftigten der Krupp-Zechen Hannover und Hannibal errichtet. Um den Gartenstadtcharakter zu erhalten, wurde 1980 eine Gestaltungssatzung erlassen, die vor allem die von der Straße aus sichtbaren Hauselemente vor Veränderungen schützt. Fast jedes Haus ist mit einem zur damaligen Zeit typischen Vorgarten versehen.
In Gestaltungssatzung nachgeschlagen
„Seit kurzem Blicke ich auf eine hohe Mauer, wenn ich das Haus verlasse“, sagt Libuda. Anfänglich dachte er noch, die Bauarbeiter, die vor wenigen Monaten anrückten, kämen nur zum Streichen der gegenüberliegenden Fassaden. Dort befinden sich Wohnungen der Wohnungsgesellschaft VBW, die aktuell saniert werden. Als der Bagger anrückte, wusste Libuda: Es wird nicht nur gestrichen, etwas Größeres passiert.
"Ich konnte beobachten, wie die Vorgärten und Balkone weggerissen wurden und durch Terrassen und eine Mauer nah an der Straße ersetzt wurden", ärgert sich Libuda. Er hat den dicken Ordner mit der Satzung herausgeholt und im Plan nachgeschaut: "Der Vorgarten des Grundstücks ist eindeutig gelb markiert, also gelten die Vorschriften", zeigt der 65-Jährige auf dem Plan.
Anwohner sprechen von "Schandfleck"
Im Gestaltungshandbuch ist für diese Flächen festgehalten: "Die gärtnerische Anlage von Vorgartenbereichen umfasst die Gestaltung mit Stauden, Sträuchern, Bäumen ebenso wie beispielsweise die Verwendung von Rasen und Sommerblumen. Unzulässig sind demgegenüber Gestaltungen in Pflaster, Kies oder anderen nicht pflanzlichen Oberflächen".
Für Libuda Beweis genug, dass die Terrassen samt Mauer, mehr als anderthalb Meter hoch, nicht erlaubt sind. "Ich habe die Siedlung hinter mir, das stört hier jeden. Die Anwohner empfinden das als Schandfleck", ist er sich sicher. Die Umgestaltung des Vorgartens im Auftrag der VBW, so fürchtet Libuda, könnte ein Einfallstor sein.
Charakter der Siedlung erhalten
"Ich würde auch gerne einen Stellplatz im Vorgarten haben oder einen breiten Eingang im bayerischen Stil. Das ist aber nicht zulässig", sagt er. Wenn die Umgestaltung durch die VBW nun aber ungeahndet bliebe, würden sich alle Siedlungsbewohner fragen: "Warum sollen wir uns noch an die Satzung halten?", schätzt Libuda.
Die Dahlhauser Heide sei wie ein kleines Dorf - "so etwas spricht sich schnell herum", so der Hordeler. Ihm sei wichtig, dass der Charakter der Dahlhauser Heide erhalten bleibe. "Das ist doch etwas, worauf wir stolz sein können, die Dahlhauser Heide ist eine Vorzeigesiedlung für Bochum", so Libuda.
Zulässigkeit wird geprüft
Die VBW betont, dass sie die Gestaltungssatzung bei den Maßnahmen zur Instandhaltung und optischen Aufwertung auf dem Schirm gehabt habe. "Fassaden- und Balkone werden saniert, die Maßnahmen betreffen auch die Außenanlagen. Die Fenster werden erneuert und die Fensterläden saniert", sagt Sprecher Sebastian Weigandt. Nach Auffassung der VBW unterliegt die Bänksgenstraße 10 aber nicht der Gestaltungssatzung. "Wir sind dazu im Gespräch mit dem Bauordnungsamt", sagt Weigandt.
Ob die Umgestaltung nun so rechtens ist, oder nicht, kann die Stadt zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beantworten. "Für die Balkone wurde eine Baugenehmigung erteilt. Für die Aufschüttung und die Winkelstützwand gibt es keine Baugenehmigung", so Stadtsprecherin Kirsten Ilk. Über die Zulässigkeit der Mauer könne erst im Zuge eines Prüfverfahren eine Auskunft erteilt werden."Wenn die Bauaufsicht in dem noch zu erfolgenden Prüfverfahren zu dem Ergebnis kommen das die Winkelstützwand unzulässig ist, dann müsste diese zurückgebaut werden", so Ilk.
Infobox: 1900 errichtet
Die Siedlung Dahlhauser Heide liegt im Norden Bochums. Sie wurde von der Krupp AG Anfang 1900 auf dem Rittergut Haus Dahlhausen errichtet.
In den Genuss eines Zweifamilienhauses kamen nur privilegierte Bergleute der Zechen Hannover und Hannibal. Jedes Haus verfügte über einen eigenen Garten, was zum Spitznamen der Siedlung „Kappskolonie“ führte. Kappes bedeutet im Ruhrpottdeutsch "Kohl".
Die Häuser sind im Heimatstil errichtet und haben tiefe Dachtraufen und Elemente des Fachwerkstils.