Bochum. Florian Bessel von der Heinrich-von-Kleist Schule in Bochum machte sein Englisch-Referat zu was Besonderem: Er lud Klimaforscher Mojib Latif ein.

So, wie die meisten Vorträge im Unterricht kennen - mit Plakat oder Tafelbild im Klassenraum - sehen Referate in der aktuellen Home-Schooling Situation nicht aus. „Warum also nicht mal etwas ganz Neues probieren?“, dachte sich der Zehntklässler Florian Bessel der Bochumer Heinrich-von-Kleist-Schule – und lud sich für ein Referat über den Klimawandel kurzerhand einen Gast ins digitale Klassenzimmer ein.

Bekannter Klimaforscher

Nicht irgendeinen Gast – sondern den bekannten Klimaforscher Mojib Latif. Der 64-Jährige ist Professor am Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Vorstandsmitglied des Deutschen Klima-Konsortiums und Präsident des „Club of Rome“, der sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzt. „Ich habe ihm einfach eine Mail geschrieben und er hat zugesagt", sagt Bessel.

Ernste Lage des Planeten

Kürzlich schaltete sich Latif dann aus Hamburg in den Online-Englischunterricht der Zehntklässler. „The house is on fire“ - „Das Haus brennt“ – leitete Bessel sein Kurzreferat ein und erklärte noch einmal für alle, was es mit dem Treibhauseffekt, Extremwetterereignissen und Erderwärmung auf sich hat. Mit den Worten von Klimaaktivistin Greta Thunberg sagte er: „I want you to Panic, I want you to act“ - auf Deutsch: „Ich möchte, dass ihr Panik bekommt, ich möchte, dass ihr handelt“.

Handeln ist angesagt

„Wie ernst ist die Situation und gibt es noch Hoffnung für unseren Planeten?“, wollte der Schüler zuerst von seinem Gast wissen. „Es hängt von uns ab, wie wir uns in der Zukunft verhalten, aber die Zeit läuft uns davon“, antwortete Latif. Nur Anstrengungen der gesamten Weltgemeinschaft könnten die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad begrenzen. „Die C02-Emissionen sind seit 1990 um 60 Prozent gestiegen, das muss sich ändern – schnell“, so der Kieler Klimaforscher. Bis 2050 müsse das Level bei fast 0 liegen, um den Klimawandel noch aufzuhalten.

Schüler aus Bochum

„Klimawandel ist überall, egal ob CO2 in China, Amerika oder Deutschland in die Atmosphäre ausgestoßen wird. Es bleibt dort über 100 Jahre“, betonte Latif. „Wer stößt am meisten CO2 aus?“, fragte der Gerther Schüler. „Absolut gesehen sind China und die USA die weltweit größten CO2-Emittenten“, sagte Latif. Allein China steuere fast 30 Prozent bei. Zwar beträgt Deutschlands Anteil in dieser Rechnung nur zwei Prozent, aber: „Deutschland ist trotzdem unter den Top 10 der Emittenten, obwohl wir nur ein Prozent der Weltbevölkerung haben", so Latif.

Klimaforscher Mojib Latif nahm in Bochum Stellung.
Klimaforscher Mojib Latif nahm in Bochum Stellung. © Marie Illner | Marie Illner

Besser sei deshalb ein Pro-Kopf-Vergleich: „In Deutschland stößt jeder von uns im Schnitt 9 Tonnen CO2 pro Jahr aus - in Indien sind das nur 1,9“, erläuterte der Wissenschaftler. "Wo gibt es das größte Potential, Treibhausgasemissionen einzusparen?", fragte Bessel weiter. „Bei den erneuerbaren Energien - zum Beispiel mit Wind- und Sonnenenergie", antwortete der Wissenschaftler. Das deutsche Wort „Energiewende“ werde so auch im Englischen verwendet.

Klima-Appell an die Schüler

„Das zeigt, dass wir eine Vorreiterrolle einnehmen können", sagte Latif. Die Hälfte der Energie in Deutschland würde bereits durch erneuerbare Energien erzeugt. „Fragt mal eure Eltern, welche Art von Strom ihr zuhause empfangt - grün oder nicht“, riet der Experte.

Der Klimaforscher brachte auch einen Appell an die Schüler mit: „Die deutsche Wiedervereinigung wurde nicht von oben verordnet, sondern von der Bevölkerung angetrieben, die aufgestanden ist.“ Auch die Anti-Atomkraftbewegung habe einen Ausstieg aus der Kernkraft bewirkt. „Wir brauchen eine Bewegung von unten, auch ihr gehört dazu. Wartet nicht“, so Latif. In Zeiten von Fake News sei die Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen immer schwieriger.

Junge Menschen gefordert

„Also sprecht mit euren Mitmenschen“, so der Forscher. Bessel hofft derweil, dass sein prominent besetztes Referat etwas bewirkt hat. „Es ist deutlich geworden, dass wir unser Schicksal in die Hand nehmen müssen“, sagte er. Herr Professor Latif hat sehr deutlich gesagt, dass gerade junge Menschen in den letzten Monaten durch ihren Druck auf die Politik, diese zum Handeln gebracht haben.“

>>> Bekannter Klimaforscher

Mojib Latif ist Meteorologe, Klimaforscher, Hochschullehrer und Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome. Er wurde 1954 in Hamburg geboren. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und Meteorologie, war wissenschaftlicher Mitarbeiter und Privatdozent am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie.

Seine Forschungsgebiete sind jahreszeitliche und interannuelle Klimavariabilität, dekadische und Jahrhundert-Variabilität, anthropogene Einflüsse auf das Klima sowie die Entwicklung von Modellen samt der Analyse und des Vergleichs mit Beobachtungen.