Bochum. Auch Normalverdiener sollten Wohneigentum schaffen können. In Bochum wird das Modell des Mietkaufs vorgeschlagen. „Eine naive Idee“, so Kritiker.
Mehr Normalverdiener sollten die Möglichkeit haben, Wohneigentum zu schaffen. Auch in Bochum, sagt die Ratsfraktion „Die Partei/Die Stadtgestalter“. Nach ihrer Vorstellung spielt die mehrheitlich der Stadt gehörende Wohnungsgesellschaft VBW dabei eine zentrale Rolle.
Kaufmöglichkeit zum festgesetzten Preis
„Mietkauf" heißt das Zauberwort aus Sicht der Lokalpolitiker. Dabei werde die monatlich eingezahlte Miete auf den späteren Kaufpreis angerechnet. Alle zehn Jahre sollen Mieter die Chance bekommen, “die selbst genutzte Wohnung zum im Mietkaufvertrag festgelegten Preis unter Abzug der monatlich eingezahlten Beiträge und der über Sonderzahlungen aufgelaufenen Summe zu kaufen“, so die Fraktionsvorsitzenden Nils-Frederick Brandt und Volker Steude.
Der VBW weisen sie dabei eine wichtige Rolle zu. Diese soll extra Immobilien für den späteren Verkauf an Mieter erwerben und unterhalten. Die Sparkasse Bochum soll den Mietern eine Finanzierung anbieten. So könnten auch Bochumer mit kleineren Einkommen es schaffen, eine Wohnung oder ein Haus zu erwerben. „Mit diesem Modell sparen die Mieter bei Erwerb des Wohneigentums jede Zinszahlung, sie müssen keine Schulden aufnehmen und gehen damit kein Risiko ein, im Falle eines Einkommensverlustes z.B. in Folge von Arbeitslosigkeit ihre Wohnung verkaufen zu müssen und danach auf einem Schuldenberg sitzen zu bleiben“, so heißt es.
Mieterverein sieht andere Prioritäten
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Klingt gut. „Ist es aber nicht“, so die einhellige Position nicht nur der VBW, sondern auch des Mietervereins Bochum. Von einer „spontanen Idee“, spricht Geschäftsführer Michael Wenzel vom Mieterverein. Und: „Normalverdiener haben ganz andere Probleme, als Wohneigentum zu schaffen und der Wüstenrot-Propaganda anheim zu fallen.“ Aus seiner Sicht soll sich die Politik eher dafür stark machen, „dass die VBW bezahlbare Wohnungen anbietet“ und nicht von der Stadt zur Gewinnabführung angehalten werde. Auf diese Weise würden Mieter dazu verdonnert, einen Beitrag zur Konsolidierung des stätische Haushalts zu leisten.
Kritik: Zahlenbeispiel hat Schwächen
Ähnlich drastisch äußert sich die Wohnungsgesellschaft. „Das Konzept Mietkauf 2.0 ist naiv – und auch nicht sozial“, heißt es. Schon in den 1990er Jahren habe es eine Privatisierungswelle gegeben. Mietwohnungen seien in Eigentum übergegangen. „Die Idee war schon damals wie heute dieselbe – jedoch sollten wir aus den negativen Effekten gelernt haben: Mieter kauften die Wohnungen, aber nach 15 Jahren lief nicht nur die Finanzierung aus, sondern auch die Instandhaltung staute sich an. Daraus entstanden Modernisierungsbedürfnisse, denen nicht nachgegangen wurden. Die Qualität der Objekte litt.“
360.000 Euro Miete in 50 Jahren
Das Rechenbeispiel von Partei und Stadtgestalter sieht so aus: Ein Haushalt, der mehr als 50 Jahre im Durchschnitt 600 Euro Miete zahlt, überweist an den Vermieter in fünf Jahrzehnten insgesamt 360.000 Euro.„Diese Summe entspricht in der Regel dem 1,5- bis zweifachen Wert der Wohnung. Mieter werden zwar nie Eigentümer ihrer Wohnung, zahlen aber den Vermietern ein bis zwei Wohnungen ab.“Aus ökonomischer Sicht sei Mieten also keine gute Idee. Und auch nicht aus gesellschaftlicher Sicht, da „die Vermieter immer reicher und vermögender werden, während die Mieter kein Vermögen aufbauen und auch keines an Kinder und Enkel vererben können“.
Außerdem gebe es bereits Fördermöglichkeiten wie das Baukindergeld. Auch offenbare das von der Fraktion Die Partei/Die Stadtgestalter genannte Zahlenbeispiel Schwächen, weil Strom-und Heizkosten nicht in die Kalkulation einbezogen wurden.
Eigentum dient der Altersvorsorge
Aus Sicht der Fraktion lohnt es sich aber, über das Modell nachzudenken. Sie hat dazu einen Antrag gestellt, der am Dienstag (18. Mai) im Planungsausschuss eingebracht wird. Denn: „Eigentum an der eigenen Wohnung dient der Altersvorsorge und ist als Vermögenswert auf die nachkommenden Generationen übertragbar. Gerade Kinder aus einkommensschwachen Familien könnten so geerbte Immobilien später mietfrei bewohnen oder gegen Kapital veräußern“, heißt es in dem Antrag.
Erfahrungen aus dem Ausland
Stadtgestalter und Partei verweisen auf Erfahrungen in Rotterdam, wo sich durch das Mietkauf-Modell „die soziale Lage und der bauliche Zustand ganzer Viertel enorm verbessert habe, und auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung. Das habe sich dafür ausgesprochen, Mietkaufmodelle zu nutzen.
Außerdem raten sie zu einem Blick auf die Landesgrenzen hinaus. In Deutschland beträgt die Wohneigentumsquote knapp über 50 Prozent, in NRW soll sie bei 46 Prozent und im Ruhrgebiet noch einmal deutlich darunter liegen. In Europa liegt in Sachen Wohneigentum nur noch die Schweiz hinter Deutschland. Zum Vergleich: Rumänien hat eine Quote von 95,8 Prozent.