Bochum-Stiepel. In Bochum gibt es nun auf einem weiteren Friedhof die Möglichkeit, unter Bäumen die letzte Ruhe zu finden. Erste Anfragen liegen bereits vor.

Konfuzius soll gesagt haben: „Wer einen Baum pflanzt, wird den Himmel gewinnen.“ Träfe das zu, wären das für den Gotteswald in der evangelischen Kirchengemeinde Bochum-Stiepel gute Voraussetzung. Denn nahe der Friedhofskapelle, mit Blick auf die Ruhr, umgeben von Gänseschnattern und Vogelgezwitscher, ist eine weitere Lichtung für naturnahe Bestattungen in Bochum entstanden.

Naturnahe Bestattungen in Bochum-Stiepel: Erste Anfragen liegen bereits vor

„Wir haben im vergangenen Jahr 15 Platanen gepflanzt“, sagt Pfarrer Jürgen Stasing und zeigt die zarten Sprösslinge. Er eröffnete am Palmsonntag (28.) den Gotteswald mit einer Andacht. Der Andrang war groß: Mehrere dutzend Gemeindemitglieder wollten das neue Angebot zu Gesicht bekommen und dem Einzug Jesu Christi in Jerusalem gedenken. Mit Maske, Kontaktangabe und Abstand war das auch unter den aktuellen Bedingungen möglich. Platz für jeweils sechs Urnen bietet ein Baum, ein paar bereits vorhandene hinzugenommen, sind das etwa 100 Bestattungsmöglichkeiten.

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„Der Trend geht zu naturnahen Bestattungen“, ist sich Stasing sicher. Der erste Bestattungswald seiner Art, oft auch Friedwald genannt, wurde 1999 in der Schweiz eröffnet. Während dort allerdings die Totenasche am Baum verstreut wird, muss in Deutschland – mit wenigen Ausnahmen – die Asche in einer Bestattungsurne beigesetzt werden.

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Immer wieder seien Anfragen zur naturnahen Bestattung – wozu auch Seebestattungen zählen – an die Gemeinde gerichtet worden. Im Stadtteil Bochum-Weitmar gibt es die Möglichkeit bereits: Dort wurden auf dem Friedhof Weitmar im Jahr 2019 etwa 50 Plätze auf einem baumumstandenen Areal nahe des Weitmarer Holzes eingerichtet, an denen Beisetzungen in biologisch abbaubaren Aschekapseln stattfinden können.

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Nun kann die Dorfgemeinde Stiepel auch endlich ein solches Angebot machen. „Der Baum ist Symbol des Lebens. Er passt wunderbar zu unseren christlichen Werten, denn wir haben die Hoffnung, dass es nach dem Tod weitergeht“, erklärt der Pfarrer.

Steinkissen erinnern an die Verstorbenen

Jeder Baum werde künftig von einem Steinkissen mit Namen der Verstorbenen bestückt. So kann man sich über den Ort der Beisetzung orientieren, individuelle Gräber gibt es aber nicht. „Man kann als Angehöriger vielleicht einmal Blumen oder ein Gesteck ablegen, dass man etwas anpflanzt, ist aber nicht erlaubt“, sagt Stasing.

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Die kirchen- und staatsaufsichtlichen Genehmigungen liegen bereits durch die Bezirksregierung in Arnsberg vor – ab sofort dürfte also im Gotteswald bestattet werden. Noch sind die Platanen nur kleine Triebe, Stasing kann sich aber schon vorstellen, wie der Gotteswald einmal aussieht: „Platanen haben große Kronen, wir wollen sie so schneiden, dass sie ein gemeinsames großes Dach ergeben“, sagt er.

Präsenz-Gottesdienste an Ostern

Die Dorfgemeinde Stiepel (Brockhauserstraße) lädt zu Präsenz-Gottesdiensten an Ostern ein: Karfreitag um 10 und um 15 Uhr in der Dorfkirche mit Abendmahl, Ostersonntag um 6 Uhr und Ostermontag um 17 Uhr. Ostermontag wird gleichzeitig Präd. Modrey eingeführt und Pfarrerin Kuhles verabschiedet.

Zusätzlich bietet Pfarrerin Böhrer mit Team einen Online-Familien-Festgottesdienst am Ostersonntag um 17 Uhr an.

Der Gotteswald, der zuvor brach liegendes Gelände war, könnte auch noch weiterwachsen. Die Kosten für eine naturnahe Bestattung unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen Formen der Bestattung: Sie seien etwas günstiger als ein Wahlgrab und etwas teurer als ein Urnenreihengrab, so Stasing.

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„Es sieht so aus, als fühle man sich hier gut aufgehoben und sicher. Man braucht keine Angst haben, was kommen mag“, sagt ein Gemeindemitglied, dessen Angehöriger bereits auf dem Friedhof begraben liegt. Außerdem entfalle die Pflege eines solchen Grabes. Theoretisch kann ein Grab für die naturnahe Bestattung bereits jetzt gekauft werden. „Es gab tatsächlich schon mehrere Anfragen“, sagt Stasing.

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Wer zuerst im Gotteswald beigesetzt wird, das steht aber noch nicht fest. Ein Ort zum Trauern, zur Ruhe kommen und vielleicht sogar zum Kraftschöpfen soll der Gotteswald sein. Und um auch mit einem Zitat zu schließen: „Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann, ohne glücklich zu sein“ – das soll Fjodor Dostojewskij gesagt haben.