Bochum. Sollen Bochum und das Ruhrgebiet den Status als Weltkulturerbe anstreben? Die Meinungen dazu gehen auseinander - auch in der WAZ-Redaktion.

Das Ruhrgebiet soll Weltkulturerbe werden. Nach 2014 gibt es einen neuen Anlauf dafür. Zuvor wird aber das Meinungsbild in den Städten abgefragt.

In Bochum soll das in diesen Tagen geschehen. Der Rat entscheidet am 25. März, ob er eine Bewerbung der Region unterstützen will oder nicht. Geht es nach Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) und der Stadtverwaltung, dann bleibt Bochum außen vor. Die Argumente: Die Städte seien zu spät gefragt worden, der Titel Weltkulturerbe werde durch zu häufige Vergabe entwertet und die Entwicklungsmöglichkeit von Gebäuden und Flächen könnte durch das Siegel „Weltkulturerbe“ erschwert, wenn nicht sogar verhindert werden.

Ist Bochum da auf dem richtigen Weg? In der WAZ-Redaktion gehen die Meinungen darüber auseinander.

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WAZ-Autor Sven Westernströer hält die Ablehnung der Bewerbung für falsch. © WAZ Bochum | sw

Wenn ich heute im Westpark unterwegs bin, dann geht mir regelmäßig das Herz auf. Das alte, rostige Areal der Jahrhunderthalle und der neue, zukunftsgewandte Park bilden hier eine Einheit, wie es sie wohl nur im Ruhrgebiet zu bestaunen gibt. Tradition und Moderne reichen sich im Westpark auf unvergleichliche Weise die Hand. Ein Gebiet wie dieses auf die Vorschlagsliste der Unesco zu setzen, würde dem Ruhrgebiet bestens zu Gesicht stehen – denn es würde zeigen, dass wir uns unserer bewegten Geschichte bewusst sind und einiges dafür tun wollen, sie zu pflegen und der Nachwelt zu erhalten.

Klar kann man anführen, dass der erneute NRW-Anlauf einer Bewerbung ums Welterbe den Eindruck hinterlässt, in erster Linie vom Interesse der touristischen Vermarktung getrieben zu sein. Doch das greift zu kurz: Die Montanindustrie hat das Revier über Jahrzehnte entscheidend geprägt, sie war unser Leben. Die Vergangenheit abzustreifen zu wollen, nur um den vielbeschworenen Strukturwandel weiter nach vorn zu treiben, würde dem Ruhrgebiet einen guten Teil seiner Identität nehmen. Schließlich steckt in Weltkulturerbe nicht umsonst das Wort „Erbe“, das es zu respektieren gilt.

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WAZ-Redakteur Andreas Rorowski kann die Bedenken gegen die Weltkulturerbe-Bewerbung nachvollziehen. © waz

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Bochum blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Und auf jeden Fall ist gerade der „jüngere Teil davon“, von der Industrialisierung bis zum ersten großen Strukturwandel in den 1960er Jahren, erhaltenswert. Aber nicht um jeden Preis.

Das Ruhrgebiet als Weltkulturerbe. Klingt verlockend und macht auch bestimmt etwas her – sowohl ideell als auch womöglich finanziell, wenn man davon ausgeht, dass so ein Titel auch mehr Gäste in die Region bringt. Das könnte zweifellos gleich mehreren Branchen helfen: von Hotels über Restaurants bis hin zu Kneipen und Kultureinrichtungen.

Sollte der Lobgesang auf die Vergangenheit aber die Entwicklungen der Zukunft hemmen, und gerade das scheint nicht geklärt zu sein, sollte Bochum tatsächlich Abstand von einer Bewerbung nehmen. Zumindest vorerst, bis nämlich endgültig geklärt, ob sich Areale in und um ein Weltkulturerbe noch verändern lassen. In Sachsen ging das offenbar nicht, dort wurde vor gut zehn Jahren wegen des Baus einer neuen Brücke dem Elbtal der Titel Weltkulturerbestätte aberkannt.

So einen Streit mit der Unesco können Bochum und das Ruhrgebiet nicht brauchen – weil er dem Image schaden und weil er Zeit und Geld kosten würde.