Bochum-Linden. Ein Verkauf des St.-Josefs-Hospital in Bochum-Linden steht im Raum. Dagegen regt sich Widerstand. Nun gibt es eine neue Idee für die Nachnutzung.
Seit Oktober 2020 ist das St.-Josefs-Hospital in Bochum-Linden geschlossen. Die Zukunft von Gebäude und Areal ist derzeit mehr als offen, zumal der Helios-Konzern offenbar auch einen Verkauf nicht ausschließt. Vor Ort kommt das gar nicht gut an. Derweil gibt es eine neue Idee, wie man den Klinik-Komplex in Zukunft anderweitig nutzen kann.
Neue Idee fürs St.-Josefs-Hospital in Bochum-Linden – und einen Kaufinteressenten
„Das ist doch genau der richtige Standort für intensiv betreutes Wohnen für behinderte/geistig behinderte junge Erwachsene“, findet eine Frau, die sich mit diesem Vorschlag an die WAZ gewandt hat. Ihren Namen möchte sie nicht nennen. Sie sei aber vom Fach, versichert sie – beruflich wie privat – und wisse daher um die Nöte von betroffenen Eltern und Kindern, wenn dem gehandicapten Nachwuchs mit der Volljährigkeit die Abnabelung bevorsteht. Ein schwieriger Schritt.
Sie selbst arbeite im ambulanten betreuten Wohnen in einer Essener Einrichtung, sagt die Frau. Daheim kümmert sie sich seit neun Jahren um eine Pflegetochter. Die Zwölfjährige hat eine geistige Behinderung. Beim Blick voraus sei klar: „Sie kann nicht ewig bei uns wohnen. Wir gehen schließlich auch schon auf die 60 zu.“ Hingegen unklar sei, wie es weitergeht: „Wir wissen nicht, wie sich unsere Tochter weiterentwickelt und wie selbstständig sie sein wird.“ Und noch weniger, wo sie – optimal betreut – unterbracht sein kann.
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Im Bereich Linden/Dahlhausen gebe es im intensiv-ambulant betreuten Wohnen keinerlei Angebote für junge Erwachsene mit geistigen Behinderungen. Das Ruhrlandwohnheim ziehe zwar mit einer Gruppe an die Lewackerstraße, bringe aber keine freien Plätze, sondern langjährige, meist ältere Bewohner mit. Und: Laut Landschaftsverband Westfalen Lippe sei Bochum mit Plätzen für junge Erwachsene mit Behinderung zum Wohnen, Übergangs-Wohnen und Trainingsgruppen zum Wohnenüben unterversorgt.
Betreutes Wohnen für behinderte Menschen in Bochum: Die Voraussetzungen stimmen, aber...
„Unser Kind möchte in der Nähe seiner Familie bleiben und selbstständig in einer Wohngruppe betreut leben“. Auch daher Idee mit dem St.-Josefs-Hospital. Zumal nebenan ja die Kinder- und Jugendpsychiatrie beheimatet ist. „So besteht die Möglichkeit, ein Versorgungszentrum für Menschen mit Behinderung inklusive Kurzzeitpflege und familienunterstützenden Diensten zu schaffen.“
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Anderswo sei so etwas ein Wirtschaftsmodell, sagt die Frau, in Bochum hingegen fühle sich niemand so recht verantwortlich. „Dabei ist der Bedarf da.“ Auch von fachlicher Seite sei Bochum mit der Hochschule für Gesundheit, der Fachhochschule und der Universität bestens aufgestellt. Seit einem Jahr schon führe sie Gespräche in diese Richtung, „die enden aber immer damit, dass niemand tätig werden will“. Viele Eltern würden somit allein gelassen.
Sorge im Stadtteil wächst
Seit Oktober 2020 ist das St.-Josefs-Hospital in Bochum-Linden geschlossen. Als kleinstes Allgemeinkrankenhaus in der Region mit 159 stationären Planbetten sei es schwierig gewesen, sich im Wettbewerb zu behaupten, so der Helios-Konzern.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Helios noch in Linden betreibt, und die angeschlossene „Schule für Kranke“, die Ferdinand-Krüger-Schule, sind davon – bislang – nicht betroffen. Die Schule ist aktuell im Dachgeschoss des Klinik-Hauptgebäudes untergebracht.
Die Sorge im Stadtteil wächst, dass ein Verkauf von Gebäuden und Gelände auch das Aus für diese beiden Einrichtungen bedeute. Deshalb hatte die Bezirksvertretung Südwest jüngst beschlossen, einen Bebauungsplan für das gesamte Klinik-Gelände aufstellen zu lassen. „Darüber werden wir bestimmen, was auf dem Grundstück passiert“, sagt Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD)
Marc Gräf (SPD), Bezirksbürgermeister im Bochumer Südwesten, findet die Idee toll. „Wir haben in diesem Bereich wirklich ein Mega-Defizit im Stadtteil.“ Gräf hat in dieser Hinsicht auch gleich ein gute Nachricht zu verkünden: „Gerade hat sich ein Geschäftsmann aus Bochum bei mir gemeldet, der den ganzen Klinik-Komplex kaufen möchte, um dort Wohnraum für Senioren und Menschen mit Behinderung zu schaffen.“ Das gehe ja in diese Richtung.
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Bezüglich des Bedarfs, auch für junge Menschen mit Behinderung, gab es vor ca. drei Jahren in Bochum eine Erhebung, teilt die Diakonie Ruhr auf WAZ-Anfrage mit. Dazu sei man mit der Stadt und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Gespräch. „Das sind allerdings Prozesse, die einige Zeit in Anspruch nehmen, weshalb wir Ihnen dazu noch keine Ergebnisse mitteilen können“, sagt Diakonie-Sprecher Jens-Martin Gorny.
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Parallel dazu entwickele die Diakonie ihre Wohnangebote für Menschen mit Behinderung weiter. Neben den beiden Ersatzbauten für das Ruhrlandheim „würden wir gerne ein zweites Appartementhaus errichten, das Menschen mit komplexen Behinderungen mit Hilfe moderner Technik ein Leben in der eigenen Wohnung ermöglicht. Hierfür suchen wir zurzeit ein Grundstück.“
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