Bochum. Sollen die Schulen kommende Woche wieder öffnen? Die Frage ist umstritten und wird heiß diskutiert. Das sind die Forderungen aus Bochum.
Bis zum 10. Januar bleiben die Klassenzimmer in Bochum so gut wie leer. Das hatten Politikerinnen und Politiker schon im Dezember beschlossen. Wie es danach weiter geht, ist noch unklar. Wenn überhaupt wird der Präsenzunterricht in Nordrhein-Westfalen wohl nur stark eingeschränkt wieder aufgenommen. Die Eltern in Bochum sind geteilter Meinung.
Dass nächste Woche alle Schüler wieder regulär zur Schule gehen können, sei nicht vorstellbar. Das sagte die Bildungsministerin Anja Karliczek. Am Dienstag werden Kanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Bundesländer unter anderem über dieses Thema beratschlagen und Entscheidungen treffen.
Alleinerziehender Vater aus Bochum fordert: Schließung und Schuljahr wiederholen
Andreas Stehl aus Hofstede ist alleinerziehender Vater eines Jungen, der derzeit eine sechste Klasse in Bochum besucht. Er vertritt die klare Meinung, dass die Schulen bis auf Weiteres geschlossen blieben sollen: "Dafür sollten alle Jahrgänge dieses Schuljahr wiederholen, ohne das es angerechnet wird. Bisher fand kaum richtiger Unterricht statt. Ich bin kein Lehrer und kann meinem Sohn nicht das beibringen, was er normalerweise lernen müsste." Stehl befürchtet, dass ansonsten ein enormer Leistungsdruck entsteht und darunter die Noten leiden.
Dem schließt sich eine andere Mutter aus Bochum an, die nicht namentlich genannt werden möchte: "Schulen und Kitas zu, sonst war wieder alles umsonst, erinnern wir uns mal daran, was nach den Herbstferien was passiert ist", fordert sie. Mutter Nicole Binger ergänzt: "Definitiv geschlossen lassen!"
Viele Eltern stehen vor einem Dilemma
Bochumerin Pamela Strutz sieht das Ganze differenzierter: "Schwierig ist, dass es anscheinen nur die Wahl zwischen zu oder auf gibt. Es wurde versäumt, wirklich an Konzepten für diese Situation zu arbeiten. Ich fände einen teilweisen Unterricht mit geteilten Klassen besser", sagt sie. Anita Krauß-Janßen aus Bochum bringt das Dilemma vieler Eltern auf den Punkt: "Aus Sicht einer Vollzeit-arbeitenden Mutter mit zwei schulpflichtigen Kindern sage ich: ,Bitte Schulen öffnen.' Aus Sicht meiner Vernunft und meines Verstands sage ich natürlich ,Zuhause lassen. Schul- und Kindergartenkinder.'"
"Vielleicht müssen wir einfach noch ein paar Wochen in den Distanzunterricht um danach ein einigermaßen normales Leben führen zu können", schätzt Jeanette Stodt, die eine 15-jährige Tochter hat. Auch wenn sie findet, dass das vergangene Schuljahr alles andere als gut verlief. "Distanzunterricht, dann mal Schule, so richtig gelernt haben sie dieses Schuljahr nicht", findet sie und plädiert, dass honoriert werden müsse, wie Kinder die Schulzeit in den vergangenen Monaten verbringen mussten. "Ein großer Dank an unsere Kinder, dass sie das alles bisher mitgemacht haben!", so Stodt.
Christian Aden, Vater aus Bochum, fordert hingegen: "Unterricht natürlich. (...) Es war lange genug Zeit, Konzepte zu erstellen. Teilung der Klassen usw. Nichts ist passiert. Ein unglaubliches Versagen ist das", meint er. Adens 15-jähriger Sohn hat das Down-Syndrom. "Für ihn ist die fehlende Schule besonders schlimm. Ihm merkt man die fehlende Beschulung einfach extrem an. Und diese besonderen Kinder werden von der Politik komplett vergessen." Das sei einfach traurig.
Aussetzen von Präsenzunterricht bleibe nicht ohne negative Folgen
Eine längere Aussetzung des Präsenzunterrichts bleibe nicht ohne negative Folgen für die Kinder, heißt es im Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK). Eine schnelle Wiederaufnahme des Schulbetriebs sei daher von großer Bedeutung. Sollte es zu Lockerungen des im Dezember beschlossenen Lockdowns kommen, „müssen die Schulen von Anfang an dabei sein“.
Der Verband für Bildung sieht das anders: „Ein Einstieg in den Präsenzunterricht ab dem 11. Januar 2021 ist nicht vorstellbar angesichts der anhaltend hohen Infektionszahlen. (...) Es ist mehr denn je erforderlich, das Infektionsgeschehen in den Schulen nicht länger schön zu reden“, fordert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender.
Bochumer Schulleiterin fordert: Gesundheitsschutz an oberster Stelle
Gesundheitsschutz für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer sollte ganz oben in der Rangliste die Planungen beeinflussen, fordert Claudia Högemann, Leiterin der Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum. "Schulen müssen im Gesamtkontext des Pandemiegeschehens gesehen werden", sagt sie auf Anfrage. "Ich plädiere für eine weitere Woche des Abwartens, da die Zahlen, die durch Weihnachten, Silvester und Reiserückkehrer das Infektionsgeschehen verändern könnten, erst dann zu sehen sind."
Sicher wäre es für Schülerinnen und Schüler gut, zurück in die Normalität zu kommen. Aber unter den jetzigen Bedingungen gebe es keine Normalität. Es wäre vielmehr wichtig, dass eine verlässliche längerfristige Planung zum Beispiel eines intelligenten Wechsels zwischen Präsenz- und Distanzunterricht einen Orientierungsrahmen geben könnte, so die Schulleiterin.
Entscheidung in NRW wohl erst am Mittwoch
Eine Abstimmung der Kultusministerkonferenz am Montag soll als Vorlage dienen für die Beratungen Merkels mit den Regierungschefs. „Wenn sich in den Ländern Spielräume für Lockerungen ergeben, sollen die Grundschülerinnen und Grundschüler beziehungsweise die unteren Jahrgänge als erstes wieder die Schule besuchen können“, erklärte die neue KMK-Präsidentin und brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). Dies betreffe die Jahrgänge eins bis sechs. In einer zweiten Stufen soll dann für Schüler ab Klasse sieben Wechselunterricht in geteilten Klassen möglich sein, in einer dritten Stufe folgt dann wieder Präsenzunterricht für alle.
Die NRW-Landesregierung will ihre konkreten Vorgaben offenbar erst im Lichte der Bund-Länder-Beschlüsse am Mittwoch bekannt geben.
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