Bochum. Alle Jahre wieder verwandelt sich die Stadt in eine bunte Glitzerwelt. Es ist Weihnachtsmarkt, mit Lichterglanz und Einkaufstrubel, Glühweinduft und Zuckerwatte. Um sich eine weniger trubelige Bochumer (Vor)Weihnachtszeit vorzustellen, dazu muss der Blick weiter zurückgehen.

Tatsächlich hat es zwischen Kortum und dem Kortländer das Ruhige, Gemütvolle einmal gegeben, vor dem Krieg, im alten Bochum, das die Bomben zerstörten. Manch einer von den Alten mag sich an diese Zeiten erinnern, als abseits der beleuchteten, geschmückten Schaufenster der großstädtischen Friedrich- und Hochstraße (heute: Kortumstraße) noch Fachwerkhäuschen standen, als mit Kopfstein gepflasterte Gassen durch die Altstadt führten.

Wer nach Symbolen, Beleuchtungen und Attraktionen von früher fragt, stößt bei älteren Bochumer/innen immer auf den Hinweis, dass an den Geschäften Grubenlampen zu sehen waren, die in einem mit Tannen bestückten Drahtgestell versteckt waren, und so ein Gefühl von Wärme und Gemütlichkeit vermittelten. Die Grubenlampen als Symbol des schaffenden Bochums; einst war unser Stadt einer der größten Bergbaustandorte Europas.

Der riesige Tannenbaum im Kortumhaus

Erwin Steden, Bochumer Junge vom Jahrgang 1934, denkt auch gern an den riesigen Tannenbaum im Kortumhaus zurück, der sich über drei Etagen erstreckte, und an die Puppenstuben-Austellung in der Kortum-Spielwaren-Abteilung.

Bochum war vor dem Krieg bereits Großstadt, doch es war ruhiger damals, es fuhren weniger Autos, dafür mehr Straßenbahnen. Durch die Altstadt klapperten noch die Pferdekarren. Es gab keinen überkandidelten Trubel, keine Nikolaus-Brass-Band, kein Glühwein-Karussell. Und doch waren die vorweihnachtlichen Zeiten – zumal für die Kinder – auch damals schon sehr verlockend.

Draußen war es sicher schon dunkel, wenn man loszog, aber spätestens, wenn man die Treppe am Alten Markt erklommen hatte, die von den Fachwerkhäusern rund um das Brücktor an der Propstei hinauf ins „moderne” Bochum führte, merkte man die Dunkelheit kaum noch, so viele Lichter schimmerten hier. Das Kaufhaus Alsberg (später Kortum) war eine schillernde Welt. Beim Blick nach oben taten sich immer neue Säle und Galerien auf, über viele Stockwerke hinweg. Überall blitzte und funkelte es von unzähligen Birnen, die in Kettenreihen hoch durch die Räume hingen. Das ganze Kaufhaus summte wie ein Bienenstock.

Von der Kaffeerösterei Steffen zur Propsteikirche

Und was es hier nicht alles gab! Gardinenstoff und Topflappen, Anzüge und Kleiderbürsten, Strumpfbänder und Kochlöffel, aber auch Schaukelpferde, Puppenkleidchen, Stoffelefanten und eine Spielzeug-Eisenbahn, ganz aus Metall. Und Lakritzstangen und Zuckerschnecken.

Beim Bummel durch das adventliche Bochum der alten Zeit wies der Duft aus der Kaffeerösterei Steffen den Weg zur Propsteikirche, in der auch am Weihnachtsmorgen die „Uchte”, die 5-Uhr-Messe in der Früh, für viele Katholiken Pflicht war. Später am Vormittag fand daheim im geschmückten Wohnzimmer, der „guten Stube”, die Bescherung statt. Der Christbaum war mit Silberlametta geschmückt, und auf seiner Spitze thronte ein Weihnachtsstern oder ein Vögelchen aus schimmerndem Blech.

Der Baum landete später in der Küche

Wenn Weihnachten vorbei war, kam der eben noch so festliche Tannenbaum nicht etwa auf den Müllhaufen, sondern er fand seinen Weg in die Küche, wo er sich im Ofen ganz profan mit seinem Heizwert nützlich machte. Das feine Wohnzimmer außerhalb der Festtage zu heizen, war in den kargen Jahren zwischen den Kriegen keineswegs selbstverständlich.

Unbedingt mit zum Weihnachtsfest gehörte, wie sich Ex-Schulrat Franz Peine (89) in seinem Standardwerk „Bochum, Stadt im Wandel” erinnert, im alten Bochum der Besuch der großen Krippen in den vier katholischen Innenstadt-Kirchen St. Meinolphus, St. Marien, Propstei St. Peter und Paul sowie St. Joseph. Unterwegs zum Verwandtenbesuch am 1. oder 2. Weihnachtstag machten viele Familien dort Station, um für sich die schönste Krippe zu küren.