Bochum. In einer Woche hat die Stadt Bochum gemeinsam mit der Agentur „Radar“ den Bochumer „Stattstrand“ auf der Brachfläche neben dem Riff hochgezogen.
Es ist 22 Uhr, ein warmer Wind weht durch die Brüderstraße am Bermudadreieck. Fünf junge Frauen haben sich mit weißen Blumenkränzen geschmückt und ziehen in der Hoffnung auf einen gelungenen Junggesellinnenabschied an mir vorbei in die erste Bar des Abends. Sie wissen sicher noch nicht, wie genau diese Nacht verlaufen wird, wollen sich treiben lassen. Doch sicher ist, dass Vieles wovon die Nacht lebt, die Unbedarftheit, die Planlosigkeit, die körperliche Nähe und das Vergessen der Zeit, durch die Regeln im Kampf gegen die Pandemie stark eingeschränkt ist.
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Wie viele Vorschriften verträgt das Nachtleben?
Wie viele Vorschriften, Beaufsichtigungen und Ermahnungen das Bochumer Nachtleben wohl verträgt? Ich laufe die Kortumstraße hinunter in Richtung Kap. Hier sind viele Bars voll besetzt, zeitweise wird es eng, vor einigen Bars bilden sich kurze Schlangen. Von hieraus ist der, seit diesem Freitag eröffnete, „Stattstrand“ der Stadt Bochum nur einen Katzensprung entfernt.
Um sowohl die Anwohner zu entlasten, die sich in den vergangenen Wochen über den Lärm auf dem Schauspielhausvorplatz beschwerten und gleichzeitig jungen Menschen einen Raum zu geben, sich Nachts zu treffen und mit Abstand zu feiern, hat die Stadt Bochum vor einer Woche beschlossen, Bochums öffentliche Plätze um einen 5000 qm großen „Stattstrand“ direkt neben dem „Riff“ zu erweitern.
Getränke gibt es zu fairen Preisen
Der Kiosk am Stattstrand verkauft Getränke zu fairen Preisen: Ein Fiege Pils kostet zwei Euro, Softdrinks kosten 1,50 Euro und für einen halben Liter Wasser zahlt man einen Euro.
Die Toiletten am Stattstrand werden regelmäßig gereinigt und ihre Benutzung ist kostenlos. Das Gelände ist für 411 Personen ausgelegt und ist von 19 bis 2 Uhr nachts geöffnet.
Urlaubsflair am „Stattstrand“
Das große Areal ist durch zahlreiche Bauzäune begrenzt, den Einlass gewährt mir ein Security-Mitarbeiter im orangenen Polohemd. Hier ist alles in warmes Licht getaucht, ein Großteil des Bodens ist von feinem Sand bedeckt, und an Zäunen und Überseecontainern wächst violetter Schmetterlingsflieder.
Unter großen weißen Sonnenschirmen sitzen junge Erwachsene um die dreißig auf Europaletten und unterhalten sich. Es ist entspannt hier, beinah etwas gediegen. Ich ziehe weiter zum Schauspielhausvorplatz. Dafür drehe ich eine weitere Runde über das Areal, denn hat man das Gelände einmal betreten, muss man sich im Uhrzeigersinn darüber bewegen. Zurück laufen geht nicht, da gibt es keine Ausnahmen.
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Deutlich jüngeres Publikum auf dem Schaupielhausvorplatz
Auf dem Schauspielhausvorplatz ist das Publikum deutlich jünger. Ein Großteil der Menschen sitzt in Kleingruppen von vier bis sechs Personen auf dem warmen Asphalt und in Abstand zu anderen Gruppen. An den Rändern des Platzes werden die Gruppen größer, die Abstände geringer. Die Stimmung ist friedlich und sehr viel ausgelassener, als am „Stattstrand“ und aus vielen Ecken schallt Gelächter und Musik. Hier treffe ich den 19-jährigen Moritz. Er kommt häufig mit seinen Freund hierher. Niemand von ihnen ziehe die Existenz oder die Gefährlichkeit von Covid-19 in Zweifel. Sie träfen sich hier auf eigene Verantwortung, im Alltag würden sie sich und andere durch das Tragen einer Maske schützen.
Polizei und Ordnungsamt zeigen Präsenz
Gegen 23 Uhr parkt ein Polizeiwagen am Rande des Platzes. Aus dem Dach des Autos fährt eine Kamera aus und richtet sich auf den Platz. Der Polizist, der das Geschehen über einen Bildschirm beobachtet, versichert mir, die Aufnahmen würden erst gespeichert, wenn es hier unruhig werden würde. Doch man bemerkt, dass die Präsenz von Ordnungskräften und die Überwachung durch eine Kamera das Freiheitsgefühl der Anwesenden beeinträchtigt. Nun strömt Polizei und Ordnungsamt auf dem Platz, ermahnt die Leute, den Abstand einzuhalten und empfiehlt, auf den „Stattstrand“ auszuweichen.
Zehn-Personen-Marke stellt Hindernis dar
Es ist viertel nach zwölf, vor dem Eingang zum „Stattstrand“ hat sich eine große Menschentraube gebildet. Es sind all diejenigen, die um 24 Uhr im Zuge der Räumung den Schauspielhausvorplatz verlassen mussten. Hier treffe ich Moritz wieder. Er und seine Freunde werden die weitere Nacht dort nicht verbringen, denn sie sind weit mehr als zehn Personen, die gemeinsam Zeit verbringen wollen. Auf dem „Stattstrand“ würden sie immer wieder ermahnt, in Zehnergruppen zu bleiben sowie die Regeln zur Laufrichtung und zum Abstand einzuhalten. Gegen 1 Uhr wird auch die Ansammlung vorm „Stattstrand“ aufgelöst. Wohin man nun zieht, ist noch ungewiss.
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