Bochum. In diesem Sommer könnte es an der Ruhr und in Kemnade zu deutlich mehr Badeunfällen kommen. Das befürchtet die DLRG in Bochum. Ein Grund: Corona.

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) warnt vor einer Zunahme von Badetoten in diesem Sommer. „Wir rechnen in der Corona-Zeit mit einer deutlich erhöhten Gefahr insbesondere im Bereich der Ruhrwiesen, die schon seit Wochen voller sind als sonst“, sagt Torsten Kelle, Leiter des DLRG-Bezirks Bochum.

Die Lebensretter sind alarmiert. Seit dem warmen Frühjahr mehren sich landesweit die Unglücke in Gewässern, Flüssen und Kanälen, bei denen Menschen ums Leben kommen – zuletzt ein elfjähriges Mädchen, das an einem See in Hückelhoven die Füße kühlen wollte, den Halt verlor und ertrank. Kurz zuvor starb ein 26-jähriger Mann beim Schwimmen in einem Baggersee in Heinsberg.

Gefahr von Badeunfällen in Bochum: Es gibt immer mehr Nichtschwimmer

65 Ertrinkungstote waren 2019 in NRW zu beklagen, 417 waren es bundesweit. Zahlen, die 2020 massiv steigen könnten, befürchtet Torsten Kelle und macht zwei Hauptgründe aus:

– 60 Prozent aller Kinder und Jugendlichen können nicht sicher schwimmen (für die DLRG heißt das: mindestens 200 Meter am Stück). Tendenz: steigend. „Immer mehr Eltern delegieren die Schwimmausbildung an die Schulen. Die haben den Schwimmunterricht aber vielfach auf ein Mindestmaß geschrumpft“, sagt Kelle.

Durch die Corona-Krise waren die Schwimmbäder monatelang geschlossen; aktuell öffnen sie im reduzierten Notbetrieb. Folge: Nicht nur Schulen, sondern auch die Vereine mussten ihre Schwimmkurse (allein bei der DLRG mit jährlich 110 Seepferdchen-Kindern und 240 Jugendschwimmabzeichen) im März stoppen. Die Online-Anmeldungen für die öffentlichen Bäder scheinen abzuschrecken. Bei gutem Wetter weichen Kinder, Jugendliche und Erwachsene verstärkt auf Freigewässer aus.

DLRG-Bezirksleiter Torsten Kelle warnt vor den Gefahren an und in Flüssen und Gewässern.
DLRG-Bezirksleiter Torsten Kelle warnt vor den Gefahren an und in Flüssen und Gewässern. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Letztes Todesopfer war 2019 zu beklagen

Dort ist das Baden zwar verboten. „Gerade wenn Alkohol und Übermut im Spiel sind, erscheint das aber egal“, sagt der Chef der 1875 Bochumer Lebensretter, die in fünf Ortsgruppen organisiert sind. Ehrenamtlich besetzen die Mitglieder mit ihren Booten zwischen Mai und September samstags, sonntags und an Feiertagen vier Rettungswachen: an der Ruhr in Dahlhausen, Stiepel und Witten sowie am Kemnader See, wo die Wasserpest Elodea immer wieder für Probleme beim Wassersport sorgt.

DLRG-Helfer sind auch an der Küste im Einsatz

Ertrinken ist laut DLRG die zweithäufigste Todesursache bei Kindern zwischen fünf und 14 Jahren. Die Schwimmausbildung zählt deshalb zu den zentralen Aufgaben. Jährlich sind die Ehrenamtler in Bochum dafür 7500 Stunden im Einsatz.

Im Sommer schwärmen die Lebensretter zusätzlich zum Wachdienst vor Ort in den hohen Norden aus. An der Nord- und Ostsee (u.a. auf Borkum, in Kühlungsborn und Scharbeutz) leisten sie den Rettungsdienst an den Stränden.

In diesem Sommer wachen 34 Bochumer für jeweils ein bis drei Wochen an der Küste: gleichfalls ehrenamtlich, als Selbstversorger, für fünf Euro Taschengeld am Tag.

Was die Helfer regelmäßig beobachten, sei besorgniserregend, schildert Torsten Kelle. „Wir erleben Saufgelage, gerade auf den Ruhrwiesen. Je höher der Alkoholpegel, desto leichter fallen die Hemmungen, sich im Wasser abzukühlen.“ Überschätzt wird dabei die eigene Kraft. Unterschätzt wird die Strömung, die an vielen Stellen der Ruhr tückisch, mitunter lebensgefährlich sein kann. So wie im Sommer 2019, als nahe der Bootsrutsche in Dahlhausen zwei Männer ins Wasser sprangen und in Not gerieten. Einen 25-Jährigen konnte die DLRG leicht verletzt retten. Sein Begleiter (31) konnte nur noch tot geborgen werden. „Beide waren Nichtschwimmer“, berichtet Torsten Kelle.

Bisher gab’s keine größeren Einsätze

In diesem Sommer mussten die Helfer in Bochum bis auf das Verarzten von Wunden und Stichen noch zu keinen lebensbedrohlichen Einsätzen ausrücken. Ihre Warnung hat gleichwohl Bestand. Torsten Kelle: „Jedes strömende Gewässer ist gefährlich. Wer im Schwimmbad schwimmen kann, kann es nicht unbedingt auch in einem Fluss.“

DLRG zeigt, wie gefährlich das Baden in der Ruhr ist

weitere Videos