Bochum. Weil der alte Bußgeldkatalog nicht mehr angewendet wird, muss die Stadt Bochum 35.000 Verfahren neu prüfen. „Eine Zumutung“, heißt es im Rathaus.
Nach der Rücknahme des neuen Bußgeldkataloges müssen in Bochum 35.000 Verfahren wegen Verkehrsverstößen neu bearbeitet werden. „Eine Zumutung für alle Beteiligten“ nennt das Stadtsprecherin Tanja Wißing auf WAZ-Anfrage. Wie viele Verfahren wegen entzogener Führerschein betroffen sind, vermag das Straßenverkehrsamt nicht zu beziffern.
Wegen eines Formfehlers im Gesetz hat das Bundesverkehrsministerium den Rückwärtsgang eingelegt. Der neue, im April in Kraft getretene Bußgeldkatalog wird nicht mehr angewendet. Es gilt wieder die alte Straßenverkehrsordnung. Das heißt: Wer nach dem 28. April etwa mit zu hohem Tempo, beim Falschparken oder Überfahren einer roten Ampel erwischt wurde, wird nach altem Recht bestraft.
Bußgelder in Bochum: „Eine Misere für alle Beteiligten“
„Einzig und allein durch die schlechte gesetzgeberische Leistung des Bundes ist eine Misere für die Bürger, aber auch für uns als Verwaltung entstanden“, sagt Stadtsprecherin Tanja Wißing. Bochum halte sich dabei an den geltenden Erlass des NRW-Innenministeriums. Danach werden alle laufenden und zukünftigen Verfahren nach dem Bußgeldkatalog in der Fassung vor dem 28. April beschieden.
Die Bußgeldstelle der Stadt hat damit alle Hände voll zu tun – und das im Wortsinn. Normalerweise sind die Bußgeldverfahren automatisiert. Doch Kollege Computer hat vorerst ausgedient. Die 35.000 Verkehrsverstöße, die seit Ende April auf Bochums Straßen geahndet wurden, müssen geprüft und von Hand vom neuen auf das alte Recht umgestellt werden. „Die manuelle Korrektur erfordert einen erheblichen Aufwand. Wir rechnen mit einem zeitverzögerten Abarbeiten der Fälle“, heißt es im Rathaus.
Nur neue und laufende Verfahren werden geprüft
Wichtig für Verkehrsteilnehmer: Die Rolle rückwärts umfasst nur neue und laufende Verfahren. Sie werden automatisch an die alte Rechtslage angepasst. „Eine Grundlage für die Aufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren besteht aktuell nicht“, betont die Stadt. Auch für bereits zugestellte Bußgeldbescheide gilt: Von allein erfolgt keine Rücknahme bzw. Änderung. Hierfür ist es erforderlich, dass die Betroffenen selbst Einspruch einlegen. Dies kann sowohl schriftlich (nicht per Mail) als auch telefonisch erfolgen.
Bußgeldkatalog: Das rät der ADAC
Der ADAC empfiehlt Verkehrsteilnehmern, die bereits einen Bußgeldbescheid erhalten oder bezahlt haben, dagegen schriftlich Einspruch einzulegen – natürlich nur, wenn es bei dem Verstoß eine Änderung im Bußgeldkatalog gegeben hat, etwa beim Fahrverbot.
Anders beim Verwarnungsgeld. „Haben Sie dieses gezahlt, so ist das Verfahren damit beendet und Sie können nicht mehr dagegen vorgehen“, so der ADAC.
Autofahrern, die ihren Führerschein auf Grundlage des neuen Rechts abgegeben haben, rät der Automobilclub, Kontakt mit der Bußgeldstelle aufzunehmen.
Hoffen können Autofahrer, die seit Ende April wegen zu schnellen Fahrens den Führerschein verlieren sollten. Der neue Bußgeldkatalog sah einen Monat Fahrverbot vor, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde oder außerorts 26 km/h zu schnell war. Nun gelten – rückwirkend zum 28. April – dafür wieder Tempoüberschreitungen von 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb.
ADAC fordert: Führerscheine zurückgeben
Wie viele Autofahrer in Bochum nun ihren Führerschein behalten dürfen, kann die Stadt auf WAZ-Anfrage nicht mitteilen. Einen Anhaltspunkt liefert der Kreis Recklinghausen, in dem im Mai und Juni mehr als 650 „Fleppen“ einkassiert wurden: ein Drittel mehr als in den Vorjahren. In Köln sind es über 3000.
Allerdings gilt laut Stadt Bochum auch bei den Führerscheinen: Bereits abgeschlossene Verfahren werden nicht neu aufgerollt. „Führerscheine werden erst herausgegeben, nachdem das Fahrverbot abgegolten ist.“ Der ADAC stellt eine klare Forderung: „Autofahrer, denen nach altem Katalog lediglich ein Bußgeld gedroht hätte, dürfen nicht mit einem Fahrverbot belegt werden.“