Bochum. Mit „Die Befristeten“ von Elias Canetti startete das Schauspielhaus Bochum aus der Corona-Zwangspause. Eine Premiere mit vielen Einschränkungen.
Mit „Die Befristeten“ von Elias Canetti startete das Schauspielhaus aus der Corona-Zwangspause in die letzten zwei Wochen der aktuellen Spielzeit. Es war eine ganz besondere Premiere. In mehrfacher Hinsicht.
Im Foyer des Schauspielhauses Bochum notiert
Selten hat man das Bochumer Theater auf diese Weise wahrgenommen: fast wie einen Hochsicherheitsbereich. Die Besucher/innen der Premiere von Johan Simons' Inszenierung "Die Befristeten" mussten sich vorher telefonisch anmelden, es lagen Adresszettel an der Kasse aus, die man unterschreiben musste – ähnlich wie aktuell im Restaurant. Freundliche Helfer geleiteten die Zuschauer zu den Plätze, eigenständiges Bewegen („freies Rumlaufen“) ausgeschlossen. Natürlich herrschte bei allen und überall Maskenpflicht.
Übrigens auch während der Vorstellung. Die Aufführung währt 90 Minuten, inklusive des Vorlaufs beim Hineingehen ist das Atmen also fast zwei Stunden eingeschränkt. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Handicap, so ungewohnt wie ungeliebt. Das Endlich-Wieder-Tief-Durchatmen-Können nach Ende der Vorstellung draußen auf dem Hans-Schalla-Platz war eine Erleichterung!
Nur 50 Zuschauer zugelassen
Nur 50 Zuschauer waren bei der Premiere, und sind es auch bei den folgenden Vorstellungen im Schauspielhaus, zugelassen. 820 Plätze fasst das Große Haus normalerweise, man kann sich also vorstellen, wie gespenstisch der riesige Theatersaal wirkte, in dem die meisten Sitze ausgebaut und stattdessen Stützgeländer eingebaut waren – so werden die vorgeschriebenen Abstände eingehalten.
Die neun Schauspielerinnen und Schauspieler in grellroten Kostümen agieren auf der Bühne und auf den seitlichen Gängen des Theatersaals an den Ausgängen, die während der Vorstellung geöffnet bleiben. Alle Akteure spielen „auf Abstand“, nicht nur, weil das künstlerisch so gewollt ist, sondern weil die Corona-Vorschriften es erfordern. Nähe wird unbedingt vermieden, um die Ansteckungsgefahr auch für die Spieler gering zu halten.
Ein "Mord" in der Nahdistanz
Einmal gibt es allerdings eine Ausnahme. In einer beklemmenden Szene, die auf den rassistischen Polizei-Mord in den USA anspielt, wird Gina Haller von Risto Kübar „umgebracht“. Das geschieht Close-Up, „Opfer“ und „Mörder“ kommen sich körperlich sehr nah. Dürfen die das, was ist mit der gebotenen Distanz? Ja, die dürfen das: Kübar und Haller leben in einer Wohngemeinschaft, sind also „Angehörige eines Haushaltes“ und damit der Abstandspflicht nicht unterworfen.
Die Premieren-Zuschauer waren – nimmt man den starken Schlussapplaus als Maßstabe – nicht nur froh darüber, dass sie endlich wieder ins Theater durften. Sondern auch, dass sie endlich wieder das stark auftrumpfende Ensemble erleben durften. Dominik Dos-Reis, Gina Haller, Stefan Hunstein, Marius Huth, Risto Kübar, Mercy Dorcas Otieno, Anne Rietmeijer, Jing Xiang und Elsie de Brauw trugen wesentlich zum Gelingen des herausfordernden, aber künstlerisch gelungenen Abends bei. Besonders tapfer war Anne Rietmeijer. Die junge Schauspielerin ist durch eine Fußverletzung gehandicapt und meistere ihre Rolle auf Krücken bzw. auf allen Vieren krabbelnd.
Von Normalität weit entfernt
Nach der Premiere ist normalerweise stets Raum und Gelegenheit, um mit Bekannten und Freunden im Foyer das Gesehene und Erlebte nachzukarten. Diesmal war das nicht so, dafür waren die Corona-Umstände doch zu nervig. Alles strebte rasch nach draußen, an die Luft. Und verabschiedete sich sogleich nach Hause. So schön die Wiedereröffnung des Schauspielhauses ist und so wertvoll die Arbeit des gesamten, motivierten Teams: Von einer wie auch immer gearteten Normalität sind Theatermacher und Theatergänger noch weit entfernt.
>>> Info zum Spielplan
Das Schauspielhaus fährt bis zum offiziellen Spielzeitende am 28. Juni einen reduzierten Spielplan unter Corona-Beschränkungen.
Neben "Die Befristeten" werden "Asche zu Asche" und die „Penthesilea" gezeigt. Die kostenlosen Vorstellungen sind bereits alle ausgebucht.