Bochum-Innenstadt. Die umweltbewusste Gruppe hat der Verschwendung von Lebensmitteln den Kampf angesagt. Bis Jahresende findet man sie an der Bochumer Brückstraße.
Eine schöne Erfolgsgeschichte schreibt die Bochumer „Foodsharing“-Guppe: Seit einigen Jahren setzen sich die Mitarbeiter dafür ein, Lebensmittel einzusammeln, die sonst entsorgt werden würden. Sie nehmen die überschüssige Ware mit und geben sie kostenlos weiter. Nachdem bislang nur einige Verteiler-Schränke im Stadtgebiet befüllt werden konnten, kann die umweltbewusste Gruppe jetzt mit Stolz ihr erstes Ladenlokal präsentieren: Bis Ende des Jahres findet man die rein ehrenamtlich arbeitende Initiative an der Brückstraße 22 mitten in der City.
„Foodsharing“ (also das Teilen von Lebensmitteln) ist eine Bewegung, die überall in Deutschland aktiv ist. Ihr Ziel ist die Rettung von Nahrungsmitteln, die keiner mehr kauft. Das Wort „Rettung“ wählen die Aktivisten dabei ganz bewusst, denn zahllose Supermärkte, Restaurants und Großhändler handeln nach dem fragwürdigen Prinzip, rigoros alles wegzuschmeißen, was nach Schließung ihrer Läden nicht mehr verwertet werden kann. Etwa 50 Prozent aller Lebensmittel, so schätzt die „Foodsharing“-Bewegung, werden auf den Müll geworfen, obwohl sie locker noch verzehrt werden könnten: „Jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot.“
Viele Ehrenamtliche machen bei „Foodsharing“ in Bochum mit
Etwa 120 Mitstreiter zählt die Bewegung allein in Bochum: „Und es werden immer mehr“, freut sich Botschafterin Vivien Illigens. Dabei machen längst nicht nur Studenten mit, sondern Menschen aus allen Bevölkerungsschichten, die in ihrer Freizeit zahlreiche Läden, Super- und Wochenmärkte abklappern und die überschüssigen Lebensmittel nach vorheriger Prüfung einsammeln. Die Händler müssen zuvor natürlich ihr Einverständnis geben. Auch sonst hält sich „Foodsharing“ an strenge Regeln: Es wird nichts mitgenommen, was bereits verschimmelt ist oder stark mitgenommen aussieht. „Aber das allermeiste kann völlig bedenkenlos noch gegessen werden, auch wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum vielleicht vor kurzem abgelaufen ist“, meint Illigens.
Vier Verteiler-Schränke (im Rathaus, an der Ruhr-Uni sowie im Luther-LAB und bei den Naturfreunden in Langendreer) hat „Foodsharing“ bislang regelmäßig zur kostenlosen Entnahme befüllt. Mit Beginn der Corona-Pandemie mussten sie allerdings schließen. Geöffnet hat hingegen ein neuer Verteiler auf einem Hinterhof an der Hattinger Straße 222.
Schon eimerweise Tsatsiki gerettet
Ihr erstes, temporäres Ladenlokal konnte die Gruppe zur Adventszeit an der unteren Kortumstraße beziehen. Damals konzentrierte sich das „Foodsharing“ vor allem auf den Weihnachtsmarkt, wo unzählige Kartoffeln, Äpfel, Süßigkeiten und sogar eimerweise Tsatsiki dankbare Abnehmer fanden. Unterstützt wurde die Initiative dabei von BO-Marketing, die im Rahmen des „Tapetenwechsel“-Programms zur Neubelebung leerstehender Ladenlokale auch die aktuelle Förderung übernimmt.
Und voilà: An der Brückstraße 22 hat „Foodsharing“ jetzt eine feste Adresse. Möglich macht’s der Vemieter, der für den guten Zweck auf die Miete verzichtet. BO-Marketing übernimmt die Nebenkosten. Die Älteren erinnern sich: Früher war hier das italienische Restaurant „La Scaletta“ zu finden, das bekannt war für seine markante, steile Treppe im Inneren des Ladens. Im unteren Teil kann man sich ab jetzt zu festen Öffnungszeiten mehrmals wöchentlich gratis mit Lebensmitteln versorgen – und die Nachfrage ist groß: „Hier standen schon Schlangen vor der Tür“, erzählt Illigens. Die Corona-Abstandsregeln werden dabei genau beachtet: Der Laden darf nur einzeln und mit Maske betreten werden, ein Mitarbeiter sorgt vor der Tür für Ordnung.
Wohin bloß mit all der vielen Milch?
Dabei legt „Foodsharing“ großen Wert darauf, keine Alternative zu den „Tafeln“ zu sein: „Bei uns zählt der Gedanke des Teilens“, sagt Illigens. „Wer etwas mitnimmt, darf auch gern etwas mitbringen. Aber das ist kein Muss.“ Auch werde beim Abholen genau darauf geachtet, dass jeder nur soviel mitnimmt, damit es möglichst für alle reicht. „Eine Versorgung wie bei den Tafeln können wir gar nicht sicherstellen, weil wir nur anbieten können, was wir vorher auch eingesammelt haben. Und das ist eben manchmal mehr, manchmal weniger.“
Neue „Food-Saver“ gesucht
„Foodsharing“ an der Brückstraße 22 im Gerberviertel ist geöffnet: Di. und Do. von 19 bis 20 Uhr, Sa. und So. von 15 bis 16 Uhr.
Die Gruppe ist immer auf der Suche nach neuen „Food Savern“, die Lebensmittel einsammeln. Nähere Infos: www.facebook.com/foodsharingbo
Ihre letzte große Rettungsaktion erlebte die Gruppe vor wenigen Wochen während der Zeit der unseligen Hamster-Einkäufe: „Da hatte ein Händler viel zu viel Frischmilch bestellt, die aber keiner kaufte.“ Statt die Milch notgedrungen wegzuschütten, rief er die mobile Einsatztruppe: „Da hatten wir plötzlich ein paar Hundert Liter Milch hier stehen und wussten nicht wohin damit.“ Doch „Foodsharing“ ist clever und bestens vernetzt: „In den sozialen Medien haben wir sofort einen Aufruf gestartet und gefragt, wer alles Milch gebrauchen kann.“ Es dauerte nicht lang, da war alles weg.