Bochum. Die Bogestra steht vor einem heftigen Umsatzeinbruch. Einkünfte von bis zu 40 Millionen Euro werden voraussichtlich dieses Jahr fehlen.
Die Bogestra steuert in diesem Jahr auf den heftigsten wirtschaftlichen Einbruch ihrer Unternehmensgeschichte seit Ende des 2. Weltkrieges zu. Das Nahverkehrsunternehmen geht von Einnahmeverlusten bis Ende 2020 in Höhe von bis zu 40 Millionen Euro aus. Das heißt, rund ein Viertel der Umsätze fallen schlicht weg. Schon jetzt nach knapp zwei Monaten Corona-bedingter Einbußen sind die Auswirkungen geradezu brutal: Wenn die Busse und Bahnen der Bogestra an normalen Werktagen täglich rund 390.000 Fahrgäste befördern, sind es derzeit gerade knapp 80.000 Personen.
Hätte erfolgreiches Jahr werden können
„Wenn ich etwa sehe, dass in einer normalen Straßenbahn derzeit höchstens bis zu 20 Personen sitzen“, ist das schon heftig“, sagt Finanzvorstand Andreas Kerber. Und dabei hätte es ein außergewöhnlich erfolgreiches Jahr werden können, ist sich Kerber sicher. Denn in den beiden ersten, noch nicht von der Corona-Krise bestimmten Monaten zeigten sich schon gute Entwicklungen, wie mit den Maßnahmen des Netz 2020 bezweckt: „Die Fahrgelderlöse haben deutlich angezogen, lagen in dieser Zeit bei plus sieben Prozent gegenüber Januar/Februar 2019. Ein weiterer Zuwachs deutete sich an“, so Kerber.
Doch dann fuhr das Unternehmen in den unendlich langen und unendlich dunklen Corona-Tunnel. Nur mit viel Phantasie sieht der ÖPNV bereits ein kleines Lichtlein an dessen Ende. Seit der stufenweise Wiedereröffnung von Handel und Schulen seien ein wenig mehr Menschen wieder mit dem ÖPNV unterwegs. Alle Berechnungen der Bogestra gehen von heftigen Verlusten aus. Ausgefallene Großveranstaltungen wie Fußballspiele, Bo Total, Zeltfestival, Cranger Kirmes oder Konzerte, um nur einige zu nennen, bedeuten heftige Einschnitte.
Der Verkauf von Barfahrausweisen ist weiterhin fast völlig zum Erliegen gekommen. Doch die Abo-Kunden halten der Bogestra die Treue. Hier bewegten sich die Kündigungen, derzeit bei um die fünf Prozent.
Unternehmen setzt auch in der Krise auf Investitionen
Die Bogestra-Vorstände machen ganz deutlich, dass jetzt nicht der Fehler gemacht werden dürfe, aufgrund der Krise nicht weiter den einmal eingeschlagenen Weg zur Mobilitätswende weiter zu gehen. Dies wäre fatal.
Mittlerweile ist auch der reduzierte Fahrplan wieder auf annähernd 100 Prozent der Fahrten erweitert. Außerdem werden zahlreiche Infrastrukturarbeiten angegangen. Nächstes größeres Projekt ist der Anschluss der ehemaligen Opel-Fläche in Laer (Mark 51/7) an das Gleisnetz. Wie berichtet, soll mit zwei Haltestellen das riesige Areal an das Straßenbahnnetz angeschlossen werden. Hier laufen gerade die Ausschreibungen für den Gleisbau.
Dabei steuert die Bogestra – und das bescheinigte dem Unternehmen in der letzten Woche der Aufsichtsrat – bisher mit einem ruhigen Kurs durch die Krise. „Bisher gibt es unter unseren 2400 Mitarbeitern nur zwei bestätige Corona-Fälle. Beide Betroffenen sind mittlerweile wieder gesund“, so Personalvorstand Jörg Filter. Dies sei äußerste positiv. Vor allem vor dem Hintergrund, dass rund 1200 Mitarbeiter als Fahrer und Fahrerinnen täglich im direkten Kundenkontakt stehen. Bereits Anfang März, sei mit einem umfangreichen Sicherheitskonzept reagiert worden. Terminierte Betriebsversammlungen wurden als potenziell ansteckungsgefährlich abgesagt. Das gilt auch für eine Veranstaltung mit 700 Pensionären, die rechtzeitig gecancelt worden ist.
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Auf alle Szenarien vorbereitet
Doch die Bogestra zeigt sich auf alle Szenarien vorbereitet: „Wenn bei uns durch die Krankheit schlimmere Ausfälle beim Personal entstanden wären, hätten wir auf einen Notfallfahrplan umgestellt. Ähnlich dem Nachtexpress-System würden dann nur die Hauptlinien bedient“, so Filter. Falls jetzt nach den Sommerferien im August die Schulen wieder nahezu normal den Unterricht aufnehmen sollten, ist sich der Vorstand sicher, dass dann die Abstandsregeln zu den Stoßzeiten nicht einzuhalten seien. Selbst wenn wir mit 100 Prozent fahren, wird das nicht möglich sein“, so Kerber. Doch mit Mund-Nasenbedeckung und der Klimatisierung und dem Lüften der Fahrzeuge sei man recht gut aufgestellt.
Da der ÖPNV nicht nur in Deutschland, sondern europa- und weltweit mit ähnlichen Verlusten zu kämpfen habe, setzen die Unternehmen, die über verschiedene Interessenverbände national und international vernetzt sind, auf staatliche Unterstützung. Noch gibt es zwar keinen speziellen ÖPNV-Rettungsschirm, doch die Fachleute gehen davon aus, dass es ohne die öffentliche Hand nicht gehen wird.
Aufgrund der Netz 2020 Investitionen der Bogestra war in der ursprünglichen Finanzplanung mit einer Deckungslücke von 66 Millionen Euro ausgegangen worden (59 Millionen € in 2019). Doch Corona hat diese Berechnungen zerstört. Jetzt werden Zahlen von über 100 Millionen Euro aufgerufen.
Liquidität ist erstmal gesichert
„Zwar ist unsere Liquidität durch erweiterte Kreditlinien und vorzeitig gezahlte Landesmittel gesichert. Doch fest steht, dass es am Ende ohne weitere Hilfe nicht funktionieren wird“, so Kerber. Die ÖPNV-Unternehmen haben sich per Videokonferenz verständigt und in einem offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf ihre Situation aufmerksam gemacht. „60 Unternehmen haben schon unterschrieben. Aber ich bin sicher, dass da noch mehr hinzukommen“, so der Bogestra-Finanzvorstand.
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