Bochum. Infektionen zurückverfolgen und eindämmen – damit beschäftigen sich die Ermittler im Gesundheitsamt Bochum. Freiwillige helfen bei der Recherche.
Seit Monaten setzen die Gesundheitsämter alles daran, Corona-Infektionsketten nachzugehen. Im Bochumer Gesundheitsamt kümmern sich sogenannte Ermittler darum, die Verbreitung des Virus zu verfolgen und einzudämmen. Um der umfangreichen Ermittlungsarbeit Herr zu werden, werden dafür hilfsweise auch Mitarbeiter aus anderen Bereichen eingesetzt. Zu ihnen gehören Katlen Kaluza und Andrea Tedeschi vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK).
„Bei uns im MDK wurden Freiwillige gesucht“, berichtet Kaluza, die normalerweise als Pflegefachkraft Gutachten für Krankenhausabrechnungen erstellt. „Wir hatten ja schon in der Presse verfolgt: ,Die Gesundheitsämter sind am Ende‘“, sagt die 42-Jährige, „Als wir das gehört haben, haben wir sofort gesagt: Da sind wir dabei!“
Freiwillige helfen den „Hauptermittlern“ im Gesundheitsamt bei der Corona-Eindämmung
Anfang April sind Kaluza, Tedeschi und zehn ihrer Kollegen im Gesundheitsamt eingesetzt worden. „Wir sind erst einmal in eine großes Schulungszentrum gegangen und wurden anhand eines Schemas des Robert-Koch-Instituts auf den neuesten Stand gebracht“, berichtet Kaluza. Im Gesundheitsamt assistiert sie den sogenannten Hauptermittlern. „Wir sehen jeden Morgen, wie viele Neuinfektionen es in Bochum gibt. Demzufolge kann man schon erahnen, wie viel Arbeit auf einen zukommt am Tag“, sagt die Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Von jedem Corona-Infizierten erhalten die Hilfsermittlerinnen eine Liste mit Namen von möglichen Kontaktpersonen, die sie telefonisch befragen müssen. „Für Befragungen habe ich auch schon Ärzte im OP angerufen“, berichtet Kaluza. „Sobald wir eine Adresse haben, arbeiten wir mit dem Ordnungsamt zusammen. Die fahren dann raus und bitten die Personen, sie sollen sich dringend bei uns melden“, erklärt die 42-Jährige.
„Die Zahl der positiv Getesteten war ja zuletzt rückläufig, das haben wir hier auch gemerkt“, berichtet Andrea Tedeschi. „Für mich ist die Verfolgung der Kontakte spannend: Infektionsketten zu durchbrechen und die Verbreitung einzudämmen – dass man wirklich alle Kontakte pickt“, sagt die 48-Jährige.
Kontaktpersonen werden in Kategorien eingeteilt – je nach Abstand und Kontaktdauer
Mit Hilfe einer digitalen Mindmap und dem Prüfschema vom Robert-Koch-Institut ermitteln die Pflegefachkräfte, wer sonst noch zum Personenkreis gehört und welche Art von Kontakt stattgefunden hat. „Am engsten ist Kategorie 1 gefasst: In diese fällt jemand, der mit einem Infizierten länger als 15 Minuten engen Face-to-Face-Kontakt hatte. Bei diesem Fall würden wir sofort die Isolation anordnen“, sagt Kaluza. In diesem Fall würden die Kontaktperson täglich kontaktiert und gefragt, ob sie auch wirklich zu Hause bleiben.
„Kategorie 2 umfasst einen Kontakt mit einem größeren Abstand als 1,5 oder kürzerer Dauer – dann können sich die Personen in eine freiwillige Isolation begeben“, sagt Kaluza. Für medizinisches Personal werden die Kategorien allerdings anders definiert. Dort gibt es noch zusätzlich die Kategorie 3.
Bei den Telefonaten kommt den MDK-Mitarbeitern ihr pflegerisches Fachwissen zu Gute. „Unsere Berufserfahrung hilft, beispielsweise wenn man am Telefon im Hintergrund ein Husten hört und einordnen kann“, sagt Katlen Kaluza, „Das ist außerdem hilfreich, wenn wir Vorerkrankungen abfragen, differenziert Fragen zu Hygiene und Symptomatik beantworten und Tipps für die Quarantäne geben können.“
Bochumer Ermittler stoßen auch auf Unverständnis bei Infizierten
Nicht immer treffen die Hilfsermittlerinnen in den Telefonaten auf Verständnis bei Infizierten oder Kontaktpersonen mit Corona-Verdacht. „Es gab auch Diskussionen mit Bürgern, die uns gesagt haben, sie verstehen nicht, warum sie diese Anordnungen befolgen sollen“, sagt Kaluza, „In zwei Fällen haben Kontaktpersonen versucht, die Zeitangabe nochmal zu korrigieren und das Schema aufzubrechen, weil sie sonst in angeordnete Isolation gemusst hätten.“ Bei unterschiedlichen Angaben würden allerdings die Hauptermittler die Entscheidung treffen.
Freiwillige Hilfe von MDK-Mitarbeitern
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe hat in der Coronakrise etwa 170 Mitarbeiter in andere Einrichtungen des Gesundheitswesens entsandt.
Ärzte, Pflegefachkräfte und Verwaltungsmitarbeiter, insgesamt 17 Prozent der Mitarbeiter, sind derzeit im freiwilligen Einsatz, zum Großteil in Gesundheitsämtern.
Der MDK hat rund 1.000 Mitarbeiter in ganz Westfalen-Lippe.
MDK bietet sozialmedizinische und pflegefachliche Beratungen und Begutachtungen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung.
„Manchmal sind die Kontaktpersonen sehr aufgeregt“, berichtet Kollegin Andrea Tedeschi, „Wir beruhigen die Bürger dann am Telefon. Manche fühlen sich als Täter – schuldig, weil sie jemand anderen infiziert haben könnten. Diese Schuldgefühle versuchen wir ihnen zu nehmen“.
Aktuelle Entwicklungen zur Coronakrise gibt es Bochumer Newsblog.
Eine Echtzeit-Karte zu Corona-Infektionen in NRW gibt es hier.