Bochum. Wenn bei eine Covid-19-Patienten die künstliche Beatmung nicht reicht, kommt die ECMO-Therapie zum Einsatz. Das Bergmannsheil hat die Erfahrung.

Wenn die herkömmliche Beatmung bei einem schwerst kranken Menschen nicht mehr ausreicht, um das Blut mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, gibt es noch eine weitere, die letzte technische Möglichkeit: das ECMO-System. Gerade für an Covid-19 erkrankte Menschen mit einem schweren, ja lebensbedrohlichen Verlauf kann es zum Lebensretter werden. Die Abkürzung steht für „Extracorporeal Membrane Oxygenation“. Das Bergmannsheil ist mit sieben solcher künstlichen Lungen ausgestattet. An vier dieser hochmodernen Stationen werden derzeit Patienten behandelt, darunter ein Covid-19-Patient. Auf den Stationen der Klinik liegen derzeit insgesamt fünf an Covid-19 erkrankte Patienten, darunter zwei Personen aus den Niederlanden (Stand 22.4.).

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Bergmannsheil als ECMO-Zentrum sehr gefragt

Das Berufsgenossenschaftliche Universitätsklinikum ist eines der wichtigen ECMO-Zentren in NRW: „Wir werden immer wieder von anderen Krankenhäusern um Unterstützung nachgefragt“, erläutert Prof. Dr. Justus Strauch, Direktor der Herz- und Thorax-Chirurgie. Insgesamt gibt es 95 ECMO-Geräte in Nordrhein-Westfalen. Weltweit, so registriert es das sogenannte Elso-Register, werden 559 an einer Coronavirus-Infektion erkrankte Menschen (Stand 25. April) damit behandelt.

Auch andere Kliniken profitieren vom Bergmannsheil

ECMO ist nicht erst seit dem Beginn der Corona-Pandemie ein in der Intensivmedizin angewendetes Verfahren. Schon während der großen Grippe-Welle im Jahr 2009 bewährte sich diese Therapie.

Allerdings wird aufgrund der Komplexität der Anwendung dieses Verfahren auf spezialisierte Zentren begrenzt. Mit fast 100 Fällen pro Jahr zählt das Bergmannsheil dazu.

Es besteht die Möglichkeit, die ECMO-Systeme in eine andere Klinik zu bringen und den Patienten anschließend zur weiteren Behandlung ins Bergmannsheil zu transportieren. Da die Geräte transportabel sind, ist eine Verlegung mit einem Intensivmobil oder Hubschrauber möglich.

Im Zusammenhang mit der Corona-Virus-Pandemie dringen medizinische Fachbegriffe tief in die Alltagssprache ein. Nicht immer erschließen sich die Bedeutungen. Dazu gehört sicher die ECMO-Technik. Justus Strauch erläutert das Prinzip der transportablen Geräte. „Das Herzstück ist der sogenannte Oxygenator. Dort wird außerhalb des Körpers und ohne Unterstützung der erkrankten Lunge das Blut mit Sauerstoff angereichert.“

Prof. Dr. Justus Strauch ist Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Bergmannsheil.
Prof. Dr. Justus Strauch ist Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Bergmannsheil. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Die Lunge wird in den Schonmodus versetzt

Dazu wird das Blut über große Katheder am Hals und an den Leisten durch das Gerät gepumpt. Die Technik ahmt die Natur nach. „Das Verfahren ist sehr effektiv und kann sogar mehrere Wochen den Gasaustausch übernehmen“, ergänzt Prof. Dr. Peter Zahn, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerzmedizin. Die durch das Virus geschädigte Lunge werde in eine Art „Schonmodus“ versetzt und könne sich erholen.

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Ein ganzes Team kümmert sich dabei um den Patienten in dieser Phase. Denn Komplikationen sind möglich. Sie können technischer Natur – etwa am Oxygenator – oder in der Erkrankung begründet sein. Daher gehört am Bergmannsheil außer den Ärzten, wie Anästhesisten oder Kardiologen, und dem Pflegepersonal auch ein Kardio-Techniker dazu, der ein Spezialist für die Arbeitsweise der ECMO-Geräte ist.

Ein Team kümmert sich um die Patienten

Auf der Intensivstation kümmert sich dieses Team rund um die Uhr um die Patienten. Gerade die ECMO-Systeme erfordern eine ganz enge Überprüfung. In den letzten Wochen gab es auch Kritik. Wird mit solcher Technik das Leben nicht in einer Phase verlängert, wo eigentlich die Schäden etwa der Lunge oder anderer Organe später schwerste Behinderungen hervorrufen?

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Prof. Dr. Peter Zahn ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin am Bergmannsheil,
Prof. Dr. Peter Zahn ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin am Bergmannsheil, © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Peter Zahn erläutert die Vorgehensweise am Bergmannsheil: „Es ist wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, wann zusätzlich zur Beatmung, die auch schädlich für die erkrankte Lunge sein kann, auf die ECMO-Therapie umgestellt wird. Das ist ganz entscheidend“. Und ja, er räumt ein, dass es manchmal schwierige Entscheidungen geben kann.

Am Bergmannsheil – wie an anderen großen Kliniken auch – gibt es eine eigene Ethik-Kommission, die bei jedem einzelnen Fall eine Entscheidung zu treffen hat. Hier beraten ganz unterschiedliche Fachleute, nicht nur Ärzte. Oft steht dann eine Entscheidung zwischen Leben und Tod an.

Verantwortungsvoller Einsatz

Zwischen 65 und 70 Prozent der ECMO-Patienten können später erfolgreich wieder selbstständig atmen. Die Ärzte des Bergmannsheils sind sicher, dass der verantwortungsvoll entschiedene Einsatz dieser Geräte ein sinnvoller ist. „Auch wenn in der öffentlichen Diskussion der letzten Wochen doch viel, vielleicht zuviel Aufmerksamkeit auf die Bedeutung dieser Therapie gelenkt wurde“, ergänzt Strauch. Denn bei weltweit mittlerweile knapp 2,9 Millionen bestätigten Infektionen mit dem neuartigen Coronas-Virus, ist die Zahl der Menschen, die mit dieser Therapie behandelt werden, vergleichsweise gering.

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Und Prof. Strauch ergänzt: „Wir dürfen in der jetzigen Situation die anderen Patienten nicht vergessen.“ Schon jetzt sei deutlich, dass Eingriffe und Untersuchungen etwa von Herz-Kreislauf- oder Tumor-Erkrankungen zurückgingen, was aber nicht bedeute, dass diese Erkrankungen auf dem Rückzug seien. Vielmehr scheuten sich viele Patienten vor dem Kontakt mit einem Krankenhaus – aus Angst vor einer Corona-Infektion.

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