Bochum-Weitmar. Das geplante Wohngebiet in Weitmar ist Thema im Rathaus. Die Stiftung Situation Kunst sieht in den Plänen „einen echten Mehrwert“ für Bochum.

Das geplante Neubaugebiet am Weitmarer Schlosspark in Bochum steht weiter in der Diskussion. Gegen die Bebauung formiert sich Widerstand: Die „Initiative Weitmar“, die zum überwiegenden Teil aus Menschen in der angrenzenden Nachbarschaft besteht, hält das Bauvorhaben an der Schloßstraße für überdimensioniert. „Wir würden uns wünschen, dass die Planung an die umliegende Umgebung angepasst wird“, sagt ein Sprecher. Wie berichtet, hat die Initiative dafür bereits rund 230 Unterschriften gesammelt.

Stadt braucht neuen Wohnraum

Ganz anders sieht das Bettina Eickhoff, im Vorstand der gemeinnützigen Stiftung Situation Kunst, die das Bauvorhaben verteidigt. „Die Stadt braucht dringend neuen Wohnraum: sowohl im sozialen Wohnungsbau als auch im Bereich für Menschen mit höheren Einkommen“, sagt sie. „Beides wird hier geboten und ist ökologisch von Fachleuten zudem sehr umsichtig geplant.“

Zum Hintergrund: Die Fläche, auf der gebaut werden soll, befindet sich zu Teilen im Besitz der Stiftung Situation Kunst der Ruhr-Universität und sollte ursprünglich unter wissenschaftlich-künstlerischen Gesichtspunkten bebaut werden. Zu der Stiftung gehört der Kubus Situation Kunst sowie das Museum unter Tage im Weitmarer Schloßpark.

Keine brotlose Kunst mehr

Da die Uni aber mit dem „Blue Square“ in der Innenstadt und auf dem ehemaligen Opel-Gelände Mark 51/7 bereits zwei Dependancen gegründet hat, scheint eine dritte in Weitmar nicht mehr notwendig. Dennoch ist eine Bebauung für die Stiftung von existenzieller Bedeutung: „Wir bilden hier seit Jahrzehnten Studenten der Kunstgeschichte aus“, sagt Eickhoff. „Die Theorie erlernen sie an der RUB, bei uns werden sie fit für den Museumsbetrieb in aller Welt gemacht. Somit ist Kunstgeschichte für viele von ihnen längst keine brotlose Kunst mehr.“

Zur weiteren Finanzierung der Stiftung soll die Fläche jetzt zum reinen Wohnbaugebiet werden, entwickelt von der Essener Eckehard Adams Wohnungsbau GmbH. Der Investor ist für mehrere große Wohnsiedlungen in Bochum zuständig: etwa am ehemaligen Bahnhof Weitmar sowie im Dichterviertel an der Schmechtingwiese. „Die Fläche wird gegen Erbpacht bebaut, wovon die Stiftung u.a. die Veranstaltungen sowie Personal und Sachkosten finanziert“, betont Eickhoff. „Das ist ein sich selbst versorgendes System.“

270 Wohnungen und eine Kita

Laut Bebauungsplan 964 sollen auf einem bislang landwirtschaftlich genutzten Acker neben dem Park sowie auf Teilen des angrenzenden Friedhofs insgesamt 270 neue Wohnungen und eine Kita entstehen.

Die Bezirksvertretung Südwest beriet Ende März über das Vorhaben und äußerte den Wunsch, die Pläne um mindestens 50 Wohnungen zu reduzieren. Generell stehen die Lokalpolitiker dem Vorhaben aber positiv gegenüber.

Am Mittwoch (22) wird das Neubaugebiet auch Thema einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses im Rathaus sein. Beginn: 15 Uhr.

Bettina Eickhoff zeigt durchaus Verständnis für die Bedenken der Menschen, die jetzt gegen das Projekt protestieren. Trotzdem hält sie dagegen: „Wir schaffen hier einen echten Mehrwert für Bochum“, sagt sie. So werde genau auf eine „soziale wie altersmäßige Durchmischung“ geachtet: 20 Prozent der Fläche, die der Stiftung gehören, seien für sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Auch die Stadt beteiligt sich an dem Projekt und schlägt Teile des angrenzenden Friedhofs dem Neubaugebiet hinzu, um Platz für neue Wohnungen zu schaffen. Auf städtischer Seite seien 30 Prozent für sozialen Wohnungsbau gesetzt.

Stiftung genießt exzellenten Ruf

Die Stiftung Situation Kunst genießt die in der Kunstszene weltweit einen exzellenten Ruf. So entstand auf Initiative der Stiftung in der Ruine von Haus Weitmar ein multifunktional zu nutzendes Glasgebäude: der Kubus. Das Museum unter Tage (MuT) wurde 2015 eröffnet und beherbergt unterhalb des Schlossparks u.a. eine beachtliche Sammlung von Landschaftskunst vom 15. Jahrhundert bis heute – vom klassischen Ölgemälde bis zur Videoinstallation. Unter dem Titel „Grenzenlos“ erinnert das MuT demnächst an das Werk des Künstlers Erich Reusch (1925-2019). Wann die Ausstellung eröffnet werden kann, ist wegen der Corona-Pandemie noch unklar.