Bochum. Im Handel wird es ab Montag die ersten Lockerungen geben. Ob die Krise damit überstanden ist? In Bochum gibt es Zweifel - und noch einige Fragen.
Auf Erleichterung, aber auch Zweifel stößt in Bochum die Entscheidung der Bundesregierung und Länder, dass Geschäfte von bis zu 800 Quadratmetern ab nächster Woche wieder öffnen dürfen. In der Gastronomie werden die Sorgen in der Corona-Krise derweil immer größer.
"Wer soll das verstehen?" Peter Blennemann war am Donnerstagmorgen ratlos. Drei Einrichtungshäuser führt der alteingesessene Bochumer Geschäftsmann, zwei in der Innenstadt, eines in Duisburg. Alle sind sie größer als 1000 Quadratmeter und sollten somit auch künftig geschlossen bleiben. So zumindest war es am Mittwoch in Berlin verkündet worden.
Sonderweg bei Einrichtungshäusern
20 Mitarbeiter musste Blennemann in Kurzarbeit schicken. Als "willkürlich" empfand er die neuen Vorgaben. "Warum", fragte er im WAZ-Gespräch, "dürfen Autohäuser wieder öffnen, wir aber nicht?" Und: "Welchen Sinn macht die 800-Quadratmeter-Begrenzung? Wenn es denn um die - in der Tat wichtige - Einhaltung des Abstandsgebots geht, ließe sich das doch besser in größeren Geschäften als in kleinen Läden umsetzen."
Gleich am Donnerstagmorgen hatte Blennemann im Rathaus angerufen. Sein Vorschlag: Er trennt seine Geschäftsflächen ab, sperrt zum Beispiel eine Etage, um auf die maximal 800 Quadratmeter zu kommen. Das ist nicht erlaubt - dem Möbelhändler inzwischen aber auch egal: Am Nachmittag wurde bekannt, dass NRW einen Sonderweg geht und auch größere Einrichtungshäuser ab 20. April öffnen dürfen. "Welch ein Durcheinander", stöhnte ein erleichterter Peter Blennemann.
90 Prozent der City-Läden können öffnen
Aufatmen können auch alle Geschäfte, die unterhalb der Flächen-Höchstgrenze liegen. Marc Mauer, Chef der 125 Mitglieder starken "Initiative Bochumer City", schätzt, dass für rund 90 Prozent der Läden (er spricht von "Türen") in der Innenstadt am Montag die Nach-Corona-Zeit eingeläutet werden kann. "Außen vor bleiben u.a. Baltz, C&A und Saturn."
Zu Beginn der Zwangsschließungen vor einem Monat hatte Mauer vor "dramatischen Folgen" für die City gewarnt, sollten die Zwangsschließungen länger andauern. Ob die Massenpleite nunmehr abgewendet sei, könne noch nicht beurteilt werden. "Es muss zunächst eine neue Kauflaune geschaffen werden", so Mauer. Elementar sei dafür, dass die Hygieneregeln befolgt werden: "Die Kunden müssen sich ja auch wieder in die Stadt trauen." Und: Es wäre "fatal", müssten die Geschäfte in zwei, drei Wochen erneut schließen, weil die Infektionszahlen steigen.
Ungewissheit im Ruhrpark
Unter Hochspannung auf konkrete Angaben der Landesregierung wartet der Ruhrpark. "Uns ist nicht klar, ob Einkaufszentren weiterhin geschlossen bleiben müssen oder Läden unter 800 Quadratmetern öffnen dürfen", sagt Manager Andreas Ulmer auf WAZ-Anfrage
Mit seinen zahlreichen kleineren Einzelhandelsläden, vor allem Boutiquen, könnte das Harpener Shoppingzentrum von der Neuregelung deutlich profitieren. Seit Mitte März sind hier nur noch der Lebensmittelhandel, Apotheken und ein Drogeriemarkt geöffnet.
IHK: "Ein Gefühl von Lockerung"
Die IHK Westliches Westfalen begrüßt zwar die jüngsten Beschlüsse der Politik, wertet sie inmitten des für die Wirtschaft zunehmend verhängnisvollen Shutdowns aber nur als "Versuch, ein Gefühl von Lockerung zu vermitteln". So erscheine es in der Tat nicht logisch, dass größere Handelsbetriebe und Warenhäuser nicht öffnen dürfen, obwohl sie Raum genug besäßen, um den nötigen Abstand der Kunden zu gewährleisten.
Unabsehbar erscheinen die Folgen der Corona-Krise für die Gastronomie. War in den vergangenen Tagen vage gehofft worden, dass Restaurants, Kneipen, Bars und Clubs zeitnah - wenn auch eingeschränkt - wieder an den Start gehen können, gibt es für die Ausgehbranche nun keinerlei greifbaren Exit-Termin. Das werde "vielen Häusern den Hals brechen", warnt IHK-Hauptgeschäftsführer Eric Weik. Dabei wäre es auch in der Gastronomie organisierbar, zumindest Teilbereiche wieder zu öffnen, meint die IHK.
Existenzängste in der Gastronomie
Böses steht zu befürchten. Zwar versuchen immer mehr Lokale, sich mit Außer-Haus-Angeboten über Wasser zu halten. Doch: "Je länger die Beschränkungen andauern, desto schwieriger wird es sicherlich für den ein oder anderen Betrieb werden", weiß Lukas Rüger ("Livingroom").
Entscheidend werde sein, wer über welche Rücklagen verfügt bzw. wer auf der Basis seines Geschäftsmodells überhaupt an Betriebsmittelkredite ran kommt: also ob man überhaupt davon ausgehen kann, diese Gelder auch wieder erwirtschaften zu können, um sie in den nächsten Jahren zurückzuzahlen. "Hierfür werden sicherlich weitere Hilfestellungen über Politik und Verwaltung organisiert werden müssen," so Rüger.