Bochum. Der ökumenische Jugendkreuzweg vereint Jesu Leidensgeschichte mit Bochumer Stadtgeschichte. Junge Leute reflektieren dabei auch sich selbst.
Eigentlich sollte der Karfreitag ganz anders ablaufen. Mit anderen Jugendlichen wollte Svenja Przigoda durch das Bochumer Zentrum ziehen, beten, Fragen diskutieren wie „Wer ist der Herr deines Lebens?“. Diesem Plan machte Corona einen Strich durch die Rechnung – die 19-Jährige hat sich trotzdem auf den Jugendkreuzweg begeben.
Startpunkt oder „Station 0“ ist das Portal der Christuskirche. „Jedes Jahr nimmt der Kreuzweg eine andere Route“, sagt Svenja. Die Studentin ist dieses Jahr das dritte Mal dabei. Christen erinnern am Karfreitag auf kleinen Pilgerwegen an die letzten Stunden von Jesus Christus.
Kreuzweg führt zur Gedenktafel für Fritz Husemann
„Der Weg wurde vom Evangelischen Jugendpfarramt zusammen mit der Katholischen Jugend geplant. Ich durfte dieses Jahr auch eine Station vorbereiten“, sagt die 19-Jährige und bahnt sich im Corona-Slalomlauf um die anderen Bochumer ihren Weg zur nächsten Station, der Glocke am Rathaus. „Jesus wird von Pontius Pilatus zu Tode verurteilt“, liest sie im Programmheft.
Die Stationen sollen die Passionsgeschichte Jeus, Bochumer Stadtgeschichte und das Leben der Jugendlichen verbinden. Dass das gelingt, fällt Svenja bei der Suche nach „Station 3“ auf dem Husemannplatz auf. „Pilatus ließ Jesus auspeitschen, die Soldaten quälten ihn, verspotteten ihn, spuckten ihn an, sie ließen ihn sein eigenes Kreuz tragen unter dem er zusammenbricht,“ liest die Studentin.
„Wir denken hier aber auch Fritz Husemann, Zechenmaurer und Bergmann, der als engagierter Gegner des Nationalsozialismus verhaftet wurde und im KZ Papenburg-Esterwegen 1935 starb“, sagt Svenja, „ich finde diese geschichtlichen Bezüge super. So lernen wir neue Orte in der Stadt kennen“.
Am Katholischen Stadthaus in der Huestraße zitiert der Jugendkreuzweg „Jesus wird ans Kreuz genagelt“ und stellt den Bezug zu Todesurteilen in der heutigen Zeit her. „Auch damals, was mit Jesus passiert ist, war ein Mord“, sagt Svenja, „hier steht noch ,Aus christlicher Sicht ist die Todesstrafe menschenverachtend, lebensverachtend und gottesverachtend‘. Ja, dem stimme ich auch zu!“.
Gläserne Stelen erinnern an die alte Synagoge
An manchen Stationen sind die Jugendlichen dazu eingeladen, selbst über ihr Leben zu reflektieren. „Wer ist der Herr Deines Lebens“ lautet die Impulsfrage. Die 19-Jährige überlegt kurz und sagt dann: „Ich würde sagen, ich bin Herr meines eigenen Lebens und für mich verantwortlich. Wir haben ja das Glück, dass wir meistens selbst frei entscheiden können, was wir tun wollen.“ Doch jetzt gehe es zur Sparda-Bank, Station 4.
Vor der Bankfiliale erinnern zwei gläserne Stelen an die alte Synagoge. „Ich habe mich früher immer gefragt wofür die da stehen“, sagt Svenja. Das Bibelwort dazu lautet: Jesus stirbt am Kreuz.
Im Programmheft steht „Jesus ich kann es nicht fassen, doch es ist wahr: Ich habe einen Menschen geliebt, doch jetzt ist er tot“, als Svenja an der Statue der Trauernden vor der Pauluskirche stehenbleibt, einem Denkmal für Opfer des Zweiten Weltkriegs. „Mich erinnert diese trauernde Witwe an Maria, die um ihren Sohn trauert“, murmelt die Studentin, bevor sie zu ihrer selbst-vorbereiteten Station weiter geht.
Skulptur auf der Schützenbahn bildet Bochumer Stadtgeschichte ab
Die Skulptur „Entfaltung der Stadt“ auf der Schützenbahn würde von vielen Bochumern übersehen. „Mein Geschichtsleistungskurs-Lehrer hat uns das mal gezeigt“, berichtet Svenja als sie um die Skulptur herumläuft, „das ist das aufgeklappte Geschichtsbuch Bochums: Hier sieht man Bergbau, Stollen und hier oben Fußball“.
Svenja geht die wenigen Meter weiter zur letzten Kreuzwegstation vor der Probsteikirche St. Peter und Paul: „Jesus steigt in die Unterwelt“. Sie liest: „Mein Gott ich bin mitten im Leben und doch ganz allein. Meine Einsamkeit fühlt sich an wie der Tod“. Diese Zeilen würden sie an die Corona-bedingte Kontaktsperre erinnern, „meine Mutter hat mich gefragt, ob ich Angst habe, an Corona zu sterben. Ich habe weniger Angst davor, es zu bekommen, als dass die Menschen, die ich liebe und die in der Risikogruppe sind, daran sterben.“
Die Jugendliche blickt ins Programmheft. „Das hier finde ich super mächtig:,Jesus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt', sagt sie, „mir sagt das: Wir sind geborgen und gut aufgehoben, auch wenn wir sterben. Alles ist gut, ,Don't worry'".
Interessierte Jugendliche können die Anleitung für den Kreuzweg auf www.jupfbo.de herunterladen. Das Evangelische Jugendpfarramt lädt die Teilnehmer außerdem dazu ein, an jeder Station ein Selfie zu machen und dieses auf Facebook oder Instagram zu teilen.