Bochum. In Minimalbesetzung tagen die Ratsausschüsse in Bochum momentan. Kritiker sprechen von “Notstands-Gremien“ und mangelnder Transparenz.

Das Rathaus beinahe menschenleer, im großen Ratssaal sitzen nur wenige Lokalpolitiker, Fraktions- und Verwaltungsmitarbeiter. Politik in schwierigen Zeiten scheint in Bochum ein einsames Unterfangen zu sein. "Zumindest kann das kein Alltagsgeschäft sein", sagt Ratsfrau Elke Janura (CDU).

Als Vorsitzende des Ausschusses für Grundstücke und Planung saß sie am Dienstag am Kopfende vor einer ungewöhnlichen kleinen Runde. Jede Fraktion hatte einen Vertreter delegiert und diesem sämtliche Stimmen der Fraktion übertragen. So konnte zum Beispiel Burkart Jentsch (SPD) sechs Stimmen abgeben, Elke Janura vier für die CDU und Martina Foltys-Banning zwei für die Grünen.

Gähnende Leere im Ratssaal

Alles wegen des Coronavirus. Um die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich und die Sicherheit für Politiker und Mitarbeiter so hoch wie möglich zu halten, hatte der Ältestenrat einstimmig entschieden, dass die Ausschüsse bis auf Weiteres in Minimalbesetzung tagen. Auf der Besuchertribüne waren die Sitze hochgeklappt und mit Schildern versehen: "kein Sitzplatz". Indes: Stadtsprecher Thomas Sprenger verweist darauf, dass auch die Ausschusssitzungen in kleiner Runde weiterhin öffentlich tagen und es grundsätzlich keine Zugangsbeschränkungen für interessierte Bürger gebe. Auch sie müssen allerdings einen Sicherheitsabstand einhalten. Bochum: Politik auf Sparflamme und in großer Eintracht

Dennoch: Es herrschte fast gähnende Leere in dem großen Ratssaal mit Platz für 80 Ratsmitglieder und mehreren Dutzend Plätzen für Verwaltung und Fraktionen. Dort werden vorerst alle Ausschüsse, die sonst im kleinen Ratssaal oder im Technischen Rathaus zusammenkommen, tagen. So wirkt die Leere noch leerer. "Es ist schon ein komisches Gefühl, vor allem wegen der großen Distanz untereinander", gesteht Elke Janura. Aber es sei richtig, dass die Politik in diesen Tagen demonstriert, auch in ungewöhnlichen Zeiten stehe die Stadt nicht still.

Netzwerk spricht von "Notstands-Gremien"

"Und es gibt Dinge, die vorangebracht werden müssen und für die die Verwaltung Entscheidungen benötigt", sagt die Ausschussvorsitzende. Die Kritik an den sogenannten "Notstands-Gremien", wie sie etwa Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt vom Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung übt, hält Janura für nicht gerechtfertigt. Am Ende stehe schließlich die Entscheidung des kompletten Rats. Wegen der besonderen Umstände würden nun auch alle Tagesordnungspunkte, über die der Planungs- und Grundstücksausschuss eigentlich in eigener Entscheidung allein befinden könne, zusätzlich noch dem Rat vorgelegt.

Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung sieht das anders. Die Gremien seien nicht beschlussfähig, es fehle die "erforderliche Transparenz wegen der Vorberatung ohne Öffentlichkeit" und weil sämtliche Stimmen der Fraktionen oder Parteien auf ein Mitglied übertragen werden. Außerdem würden eben nicht nur unaufschiebbare Themen auf die Tagesordnung gesetzt. Das Netzwerk fordert daher, alle bis zum 20. April angesetzten Sitzungstermine auszusetzen.

Soziale Liste will Kommunalwahl verschieben

Derweil geht die Soziale Liste im Rat schon einen Schritt weiter. Sie spricht sich für eine Verschiebung der Kommunalwahl in NRW um ein Jahr aus. "In dem gegenwärtigen Ausnahmezustand sind normale politische Aktivitäten unmöglich", sagt Ratsmitglied Günter Gleising. Weder die Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten sei möglich noch ein Wahlkampf. Auch Parteien und Wählergruppen, die noch nicht in den Räten oder dem RVR vertreten sind und für eine Kandidatur sogenannte Stützungsunterschriften sammeln müssten, könnten dies zurzeit nicht tun. „Eine Absage der Kommunalwahl könnte auch ein Beitrag zur Beruhigung der angespannten Lage sein", so Gleising. "Auch können so Kräfte der Stadtverwaltung an anderer, jetzt notwendigerer Seite, eingesetzt werden.“