Bochum. Eine Chinesin (57) ist in Bochum unheilbar erkrankt. Ihr letzter Wunsch wurde erfüllt: Sie kehrte zurück in ihre Heimat. Die Augusta-Klinik half.

Frau Qu sitzt auf gepackten Koffern. Noch wenige Minuten, dann wird sie zum Frankfurter Flughafen fahren, wo der Flieger nach Peking wartet. Richtung Heimat. Richtung ihrer Tochter, die sie – das ist ihr größter Wunsch – noch einmal sehen, noch einmal in die Arme schließen will. „Danke“, sagt Frau Qu und lächelt zurückhaltend, fast schüchtern. Die Ärztinnen und Pflegerinnen auf der Palliativstation im Augusta-Krankenhaus haben Tränen in den Augen. Frau Qu nimmt Abschied. Es ist ein Abschied für immer.

Vor drei Jahren war die Büro-Angestellte nach Deutschland gekommen, um politisches Asyl zu beantragen. Die genauen Umstände bleiben im WAZ-Gespräch im Dunkeln. Frau Qu wolle nicht mehr darüber reden, sagt eine chinesische Ärztin, die als Dolmetscherin fungiert.

Gebärmutterhalskrebs ist unheilbar

Anfangs lebt Baojun Qu in München. Vor einem Monat reist sie nach Bochum, um Bekannte zu besuchen. Aus dem Nichts plagen sie heftige Schmerzen im Unterbauch. In der Augusta-Klinik stellen die Ärzte die niederschmetternde Diagnose: Gebärmutterhalskrebs in fortgeschrittenem Stadium. „Der Tumor hat weit gestreut. Eine Heilung ist nicht mehr möglich“, sagt Ärztin Dr. Christina Dockweiler und senkt traurig den Blick.

Die Lebenserwartung von Frau Qu bemisst sich in Monaten. Auf der Palliativstation werden der 57-Jährigen die ärgsten körperlichen Schmerzen genommen. Das seelische Leid bleibt – und wird täglich schlimmer. Daheim, in der Region Peking, lebt ihre 24-jährige Tochter Sun Qin, die sie so lange nicht gesehen hat. In Frau Qu reift in den vergangenen Wochen der Entschluss: Sie will zu Hause sterben. Vor ihrem sicheren Tod ihr Kind noch einmal sehen, küssen, Nähe und Trost spüren.

Chinesen fordern Corona-Attest

Das Augusta-Team hilft Frau Qu bei den Formalitäten, stellt Kontakt zur Botschaft her, sorgt mit für den Heimflug, unterstützt die Patientin weit über die medizinische Versorgung hinaus. Längst hat die Station die tapfere und bescheidene Frau Qu fest ins Herz geschlossen. Oberarzt Dr. Curd-David Badrakhan bietet sogar an, ihr Speisen aus einem China-Restaurant zu beschaffen. Frau Qu lehnt dankend ab. Keine Sonderbehandlung, bitte. Stattdessen lädt sie den Augusta-Arzt ein, sie in China zu besuchen, auch wenn es dazu kaum noch kommen wird.

Fördergemeinschaft hilft mit Spenden

Die Fördergemeinschaft für Krebserkrankte an den Augusta-Krankenanstalten hat Frau Qu maßgeblich bei der Rückreise geholfen. Aus Spendengeldern wurde die Taxifahrt zum Flughafen Frankfurt bezahlt, wo der Flieger Richtung China abhob.

Die Gemeinschaft war 1984 von Prof. Karl Bremer gegründet worden. Aus dem Spendentopf werden unbürokratisch Gelder u.a. für spezielle Massagen oder kleinere Geburtstagspräsente aufgebracht.

Wer helfen will: Alle Infos gibt es auf www.foerdergemeinschaft-krebserkrankte.de.

Das Coronavirus bildet in den letzten Tagen eine unerwartete bürokratische Hürde. Die Chinesen verlangen von Frau Qu ein ärztliches Attest, das ausweist, dass sie nicht infiziert ist. Direkt im Augusta wird ein Abstrich genommen. Negativ. Was Frau Qu über die Pandemie denkt, die in ihrer Heimat den verhängnisvollen Anfang genommen hat? Der Fragesteller erntet ein sanftes Lächeln. Es scheint, als schäme sie sich. Angst vor dem Virus hat sie beileibe nicht mehr.

Freundschaft in hysterischen Zeiten

Später Morgen, der Koffer ist gepackt, das Taxi wartet. Leise sagt Frau Qu ade. Sie verspricht, das Augusta und „die deutsche Medizin“ in China weiter zu empfehlen, auch wenn die Bochumer Ärzte ihr Leben nicht mehr retten können. Dafür hat sie als Chinesin hier deutsche Freunde gefunden. In mitunter hysterischen, schuld- und angstbesetzten Corona-Zeiten ein Wert, der bleibt.