Bochum. Kritik am Termin für den „Stadtputz“ üben Umweltaktivisten in Bochum. Er falle in die Nist- und Brutzeit. Auch bei anderen Themen brodelt es.

Der Stadtputz ist für Bochum eine gute Sache. Er erfolge nur zum falschen Zeitpunkt und liefere den Beweis, dass auf Anregungen und Kritik von Naturexperten nicht ausreichend gehört werde. Das bemängeln Vertreter von neun Bochumer Umwelt- und Klimaverbänden und Initiativen, die jetzt zum ersten „WAZ-Umweltgipfel“ zusammenkamen.

Umwelt- und Klimaschutz sind immer mehr Menschen wichtig. Das spiegelt eine aktuelle WAZ-Leserbefragung wider, in der dieses Themenfeld auf einem Spitzenplatz rangiert. Anlass für die WAZ Bochum, in Kooperation mit dem Klimabündnis einige der maßgeblichen Aktivisten der Stadt an einen Tisch zu holen. Es wurde voll in der Redaktion: Bis auf „Fridays for Future“ folgten alle Gruppen der Einladung – ebenso wie Baurat Markus Bradtke als Vertreter der Stadt.

In der WAZ-Redaktion trafen sich Vertreter von neun Bochumer Umweltverbänden und Initiativen. Auch Stadtbaurat Markus Bradtke nahm am ersten „WAZ-Umweltgipfel“ teil.
In der WAZ-Redaktion trafen sich Vertreter von neun Bochumer Umweltverbänden und Initiativen. Auch Stadtbaurat Markus Bradtke nahm am ersten „WAZ-Umweltgipfel“ teil. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

WAZ-Umweltgipfel in Bochum: Es brodelt an der Basis

Nach zwei Stunden kontroverser Diskussion wird deutlich: Es brodelt an der grünen Basis. Greta zum Trotz: Die Ehrenamtler, die sich dem Erhalt der Natur verpflichtet fühlen, sehen sich von den Entscheidungsträgern im Rathaus und in den Parteien nicht hinreichend wertgeschätzt, gehört, ernst genommen. „Wir stellen fest, dass Natur und Umwelt in Politik und Verwaltung nach wie vor einen geringen Stellenwert haben“, sagt Brigitte Giese vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Beispielhaft dafür sei der „Stadtputz“, zu dem Stadt und USB am 28. März zum zweiten Mal aufrufen. Auch wenn es sinnvoller sei, Müll zu vermeiden als von den Bürgern einsammeln zu lassen; auch wenn der Oberbürgermeister den Aktionstag allzu offensichtlich als (Wahl-)Werbung nutze: Die Idee des gemeinschaftlichen Großreinemachens begrüßen auch die Umweltaktivisten. Allein: Der Termin sei falsch. „Der Aktionstag liegt mitten in der Vogelnist- und Brutzeit. Weil die Bürger auch in Wäldern und an Gewässern aufräumen, haben wir die Stadt darauf bereits 2019 aufmerksam gemacht und gebeten, den Stadtputz möglichst auf Januar/Februar vorzuziehen“, schildert Birgit Debus vom Naturschutzbund (Nabu). Passiert sei: nichts.

USB verweist auf Hinweise und Experten

„Selbstverständlich wissen wir um die Brut- und Nistzeiten“, entgegnet USB-Sprecher Jörn Denhard auf WAZ-Anfrage. Deshalb gebe es entsprechende Verhaltensregeln für die Gruppen, die in den sensiblen Bereichen aktiv werden. Zudem stehen die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten als Begleiter bereit.

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Eine Vorverlegung auf den Jahresbeginn wäre der Aktion abträglich, glaubt der USB, der diesmal die Marke von 10.000 Helfern knacken will. „Dann herrscht Winter, möglicherweise mit Schnee und Eis. Da wären wohl kaum so viele Menschen für den Stadtputz zu gewinnen.“

Aktivisten wollen Druck erhöhen

Auch abseits der Müll-Problematik liege in Bochum vieles im Argen, sagt Ingo Franke vom Arbeitskreis Umweltschutz. Warnungen vor den Auswirkungen des Klimawandels habe es frühzeitig gegeben. „Doch 30 Jahre wurden verschlafen. 80 Prozent der Bäume in Bochum sind inzwischen krank. Mitte des Jahreshunderts wird die Innenstadt City im Sommer wegen der großen Hitze unbewohnbar sein.“

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Es gelte, den Druck auf die Stadt, Stadtwerke und Politik zu erhöhen, um den „extremen Herausforderungen“ zu begegnen. Dazu gehöre eine entsprechende Zahl qualifizierter Klimaschutzmanager im Rathaus. Einspruch Bradtke: Die vier Planstellen reichten aktuell aus. Die Mitarbeiter, so der Stadtbaurat, werden künftig sehr viel früher in die Planungen und Entscheidungsprozesse eingebunden. „Der Klimaschutz wird größere Bedeutung gewinnen“, verspricht Bradtke.

Radverkehr als Chefsache

Dazu zählt der Ausbau des Radverkehrs. Dominik Bald, Vertreter der „Radwende Bochum“ mit 15 angeschlossenen Organisationen, bekräftigt den massiven Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Bis spätestens 2025 müssten alle Hauptverkehrsstraßen, die in die City führen, mit Radwegen ausgestattet sein, um so den aktuell eher bescheidenen 7-Prozent-Radanteil am Gesamtverkehr zu erhöhen. OB Thomas Eiskirch (SPD) habe bei einer Wiederwahl im Herbst genau dies für die nächste Legislaturperiode zugesichert, kontert Bradtke.

Zwei Demonstrationen im Frühjahr

Die Bochumer Umweltaktivisten gaben beim WAZ-Treffen zwei Termine für Demonstrationen bekannt.

Am 21. März soll es auch in Bochum zu einer „KidicalMass“-Raddemo kommen. Dabei sollen es Kinder und Jugendliche mit ihren (Groß-)Eltern sein, die sich für einen besseren und sichereren Radverkehr stark machen.

Die Schüler von „Fridays for Future“ rufen am 24. April zu einem weiteren globalen Klimastreik auf. „Wir tragen unseren Protest vor die Rathäuser und auf die Marktplätze!“, heißt es in einer ersten Ankündigung.

Bei der ersten Demo im September 2019 waren in Bochum 8000 Menschen auf der Straße.

Kritik an den E-Scootern („alles andere als umweltfreundlich“), Aufruf zu mehr und wirksamerer Bürgerbeteiligung („mit bindenden Entscheidungen“), Erhalt von Freiflächen als lebenswichtige Frischluftschneisen statt weiterer Wohngebiete, Stopp für die gefühlt ewig kreischenden Motorsägen, Bauplanungen „um die Bäume herum“, aber auch Lob für die schnellen Nachbesserungen beim Bogestra-„Netz 2020“: Diese und weitere Baustellen machen die Umweltaktivisten aus.

Stadtbaurat setzt ein Zeichen

Bei Markus Bradtke stoßen sie weitgehend auf Verständnis, vielfach Unterstützung. Es gebe „kein Erkenntnisproblem“, so der (parteilose) Baurat. Mit entscheidend für die künftige Entwicklung sei, welche Zusammensetzung der neu gewählte Rat haben werde.